Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

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Hand geben wollte, sich jetzt oder später mit Frankreich gegen Deutsch- 
land zu verbinden. Aus allen diesen Gründen lehnte er es ent- 
schieden ab, seinerseits auf Rußland irgend einen Druck auszuüben, 
und wenn er damit Rußland auf der einen Seite wenigstens bis zu 
einem gewissen Punkte und innerhalb gewisser Grenzen freie Hand 
gegen die Türkei ließ und auch von Seite Europas verschaffte, so 
erreichte er damit auf der anderen den Zweck, daß er den Krieg, 
wenn er schließlich durch die Diplomatie doch nicht abgewendet 
werden könnte, wenigstens vorerst auf Rußland und die Türkei be- 
schränkte und von Deutschland und Westeuropa abwendete, ein Ver- 
dienst, das allerdings nicht hoch genug angeschlagen werden kann. 
England Viel verwickelter und schwieriger war von Anfang an die 
—’ Stellung Englands und Cesterreichs zu der orientalischen Frage 
reich. und beide verwickelten sich dabei in Widersprüche, aus welchen sie 
den Ausweg im Grunde bis heute nicht gesunden haben. Die Existenz 
der Türkei oder ihr Zusammenbruch kann Deutschland im letzten 
Grunde gleichgültig sein und der deutsche Reichskanzler war daher 
in der Lage, ganz ruhig und unbefangen erwägen zu können, ob 
dieselbe einem neuen Anprall Nußlands wohl noch zu widerstehen 
im Stande sein werde, oder aber nicht. War aber dasselbe auch 
der Fall für England und Oesterreich: Ganz und gar nicht. Beide 
hatten, wenn auch in verschiedener Weise, nicht nur ein vitales In- 
teresse, nicht bloß Rußland nicht eiwa erobernd in die europeische 
Türkei vordringen oder auch nur die Machtsphäre Nußlands in jenem 
Gebiete sich mittelbar wesentlich ausdehnen zu lassen, sondern es 
schien auch ihren Interessen am besten zu entsprechen, wenn die 
Pforte in ihrer Integrität und unbeschadet der in ihren europäischen 
Provinzen etwa einzuführenden Reformen als solche erhalten und 
aufrecht bliebe. Was immer in Folge eines Krieges mit Rußland 
an die Stelle der Pforte treten mochte, widersprach entweder ihren 
Interessen geradezu und in der schärfsten Weise, oder convenirte ihnen 
England, doch entschieden weniger. England ist der große Gegner Rußlands 
in Europa und in Asien und es ist für dasselbe ein geradezu vitales 
Interesse, daß die Meerengen des Bosporus und der Dardanellen 
den russischen Kriegsschiffen in der Hand der Pforte fest verschlossen, 
wie das andere, daß der Suezcanal und damit seine Verbindung 
mit Ostindien seinen eigenen Schiffen dauernd und zuverlässig offen 
gehalten bleibe. Außerdem ist die Türkei in ihrer Zollgesetzgebung 
für die englischen Industrieprodukte ein Abnehmer, wie es sich keinen
	        
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