Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

466 Mebericht der polilischen Eutwichelungz des Jahres 1877. 
Die Uneinigkeit der türkischen Heerführer rettete jedoch die Russen. 
Statt schnell ihre Vereinigung zu bewerkstelligen, setzte es sich Su- 
leiman P. in den Kopf, um jeden Preis den Schipka-Paß, in den 
sich die Nussen zurückgezogen und den sie nach Kräften befestigt hatten. 
von Süden her zu nehmen, was ihm, obgleich er immer und immer 
wieder anstürmte, trotz der größten Verluste mißlang. Darüber ver- 
strich aber der günstige Augenblick, indem weder Osman noch Me- 
hemed Ali ohne ihn etwas erzielen konnten. Doch blieben Plewna 
und der tapfere Osman P. eine siete Bedrohung der rechten Flanke 
der Russen und ein wahrer Pfahl in ihrem Fleische, der erst aus- 
gezogen werden mußte, ehe sie ihre Operationen wieder aufnehmen 
und neuerdings vorrücken konnten. Kaiser Alexander befahl jetzt 
auch die Garden zu mobilisiren und so schnell wie möglich nach 
dem Kriegsschauplatze abgehen zu lassen, und warf inzwischen seine 
Augen auf die rumänische Armee, die in der Stärke von ca. 40,000 
Mann eine bereite Hülse bieten mochte. Schon während die ruffische 
Armee der Donau zuzog, hatten die rumänischen Kammern in Bu- 
karest das schwache Band der Suzgeränetät zwischen sich und der 
Pforte zerrissen und sich für unabhängig erklärt, bereit, mit den 
Russen gegen die Türken zu cooperiren. Darüber war schon seit 
längerer Zeit unterhandelt worden, ohne daß jedoch die Unterhand- 
lungen zum Ziele geführt hätten: die Russen wollten sich nicht dazu 
verstehen, Rumänien als unabhängigen Alliirten neben sich anzu- 
nehmen und mit einer untergeordneten, abhängigen Stellung wollte 
sich hinwieder Fürst Carol nicht begnügen. Jetzt aber bedurften die 
Russen und zwar dringend der Beihülfe der Rumänen und so kam 
denn eine mündliche Uebereinkunft zwischen beiden zu Stande, indem 
Fürst Carol wohl aus Bescheidenheit gegenüber dem mächtigen Kaiser 
von Rußland von einer schriftlichen Convention, den die schlauen 
Russen zu vermeiden wünschten, Umgang nahm, was sich später als 
ein schwerer Mißgriff bewährte. Die Rumänen gingen über die 
Donau und Fürst Carol erhielt sogar den Oberbefehl über die ver- 
einigten russischen und rumänischen Streitkräfte gegen Plewna, wäh- 
rend ihm ein russischer Generalstabschef an die Seite gesetzt wurde. 
Vom 7. bis 14. September wurde nunmehr ein neuer, verzweifelter 
Angriff auf Plewna und Osman P. unternommen: die Russen 
fochten mit gewohnter Tapferkeit und die Rumänen, die da zuerst 
in's Feuer kamen, bewiesen eine Tapferkeit und Kriegszucht, die man 
ihnen bisher gar nicht zugetraut hatte. Aber Alles war umsonst:
	        
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