Neberscht der polilischen Enlwickelunz des Jahres 1877. 160
Versprechungen, daß es keine Eroberungen in der Türkei zu machen
suche, daß es ihm lediglich darum zu thun sei, den christlichen Be-
völkerungen derselben zu einem besseren Zustande zu verhelfen, wozu
sich freiwillig die Pforte doch niemals verstehen würde, und daß es
die spegiellen Interessen Oesterreichs und Englands sorgfältig achten
und in keiner Weise verletzen werde. Oesterreich machte zwar ein-
mal im Sommer 1877 Miene, einen Theil seiner Armee zu mobi-
lisiren, verzichtete aber schließlich doch wieder darauf. England folgteongtond.
den Ereignissen seinerseits mit aufmerksamen Blicken und die Regie-
rung wurde im Parlamente sozusagen Tag für Tag mit Interpel-
lationen über dieselben behelligt; aber die öffentliche Meinung des
Landes war selbst gespalten. Die Mehrheit der Regierung mit dem
Premier Beaconsfield folgte Rußland in seinem Unternehmen mit
ausgesprochenem Mißtrauen und traf immerhin einige vorläufige
militärische Maßregeln für alle Fälle; die Minderheit derselben aber
mit Lord Derby, dem Minister des Auswärtigen, hielt möglichst
zurück und begnügte sich mit sehr bestimmten Erklärungen, denen
jedoch aller ernstere Hintergrund thatsächlich fehlte, da sie voraus
danach strebte, den Frieden so ziemlich um jeden Preis aufrecht zu
erhalten, zumal sie davon ausging, daß England allein gegen Ruß-
land, solange dieses Konstantinopel, die Meerengen und den Snez-=
kanal nicht bedrohe, doch nicht viel ausrichten könne, auf eine Mit-
wirkung Oesterreichs aber kein Verlaß wäre. Für den Frieden aber
um jeden Preis war ein ansehnlicher Theil der Nation entschieden
gesinnt und an seiner Spitze stand der ehemalige Premierminister
Gladstone, der sich dabei in geradezu bedenklicher Weise rufsischen
Sympathien näherte. So lange nun vom Juli bis zum Oktober
die russischen Waffen in Asien sowohl als in Europa unglücklich
waren und sich der türkischen Streitkräfte kaum erwehren konnten,
war die Agitation Gladstone's und seiner Freunde gegen jedes krie-
gerische Gelüste der Regierung eine mehr oder weniger erfolgreiche;
als aber das Glück entschieden zu Gunsten der Russen umschlug,
verlor sie sowohl im Parlament als in der öffentlichen Meinung des
Landes von Tag zu Tage sichtlich an Boden und es war schließlich
kein Zweisel mehr möglich, daß, wenn die Kriegspartei in der Re-
gierung die Oberhand gewinnen würde, sie sich ziemlich sicher auf
eine entschiedene Majorität sowohl des Parlaments als der öffentlichen
Meinung werde stützen und verlassen können. Was England und
seine Regierung hauptsächlich zurückhielt, war der Umstand, daß