Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

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Politiker höchst unbedeutend, füllt seinen Platz doch in befriedigender 
Weise aus, wenn er sich auf seine Befugnisse als unverantwortliches 
Oberhaupt des Staates beschränkt: er ist im Ganzen ein wenn auch 
beschränkler, doch ehrlicher Mann — der Streich vom 16. Mai war 
freilich nicht gerade sehr loyal —, er repräsenlirt den Staat nicht 
ohne Würde und genießt als Marschall von Frankreich immerhin 
desjenigen Ansehens, dessen er bedarf, und es ist gar nicht unmög- 
lich, daß er im Jahre 1880 nach Ablauf seiner Amtsperiode selbst 
von den Nepublikanern wieder zum Präsidenten der Republik ge- 
wählt werden wird, so ganz unwahrscheinlich, ja geradezu unmöglich 
dieß auch noch vor Kurzem zu sein schien. 
So scheint Frankreich nach den furchtbaren Schicksalsschlägen, 
die es gelroffen, bereits wieder sein Gleichgewicht und eine Basis ge- 
funden zu haben, auf der es sich wieder aufrichten und neuerdiugs 
entwickeln kann. Daß diese Bafis eine republikanische Ordnung der 
Dinge ist, darf an sich nicht beirren und scheint auch nach keiner 
Seite hin Bennruhigung ergeugt zu haben, obgleich es allerdings 
ein schwerwiegendes Ereigniß ist, daß sich in Mitten Europa's und 
für eine der Großmächte desselben die Repnblik als die verfassungs- 
mäßige Ordnung der Dinge aufgethan hat und zu befestigen scheint. 
Deutschland namentlich hat keine Ursache, sich darüber zu benn- 
ruhigen: die conservative Republik ist von Natur nichts weniger 
als propagandistisch; jeder andere Ausgang der französischen Krisis 
von 1877 aber wäre für Deutschland gefährlicher gewesen, als es 
derjenige ist, den sie genommen hat, weil, wie die Dinge nun einmal 
liegen, jeder Monarch in Frankreich, heiße er nun Heinrich V. oder 
Napoleon IV., geradezu gezwungen wäre, die ihm zunächst von Seite 
der Mehrheit der Franzosen fehlende Anerkennung durch kriegerische 
Erfolge und zwar zunächst gegen Deutschland zu ersetzen. Auch 
gegenüber der Republik ist Vorsicht am Platz und Mißtrauen nicht 
ohne Berechtigung, aber die Gefahr ist doch eine entschieden geringere. 
Sie ist es auch noch in einer andern Beziehung von eminenter Be- 
deutung. Die jetzige conservative Republik in Frankreich ist zugleich 
auch eine liberale und nicht gemeint, sich in den Dienst der cleri- 
calen Partei und der römischen Curie zu begeben, am wenigsten 
unter dem gegenwärtigen Minister des Auswärtigen, Waddington, 
einem geborenen Protestanten von ursprünglich englischer Abstam- 
mung. Die clericale und ultramontane Partei ist es denn auch, 
die in Frankreich und weit über Frankreich hinaus durch bas Schei- 
Schulihess. Gurop. Geschichtrekalender. XVIII. MW.
	        
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