Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

Ilalien. 
Spanien 
514 Meberi#tt der polilisezen Gutwickelunz des Jahres 1877. 
tern des reactionären Ansturms vom 16. Mai die schwerste und 
empfindlichste Niederlage erlitten hat. Hätte sie gesiegt, so hätte die 
römische Curie für ihre maßlosen Ansprüche in Frankreich und der 
französischen Regierung einen Stützpunkt gefunden, der ihr jetzt in 
ganz Europa abgeht, und alle ultramontanen Bestrebungen hätten 
sich um Frankreich gesammelt und an Frankreich angelehnt. Es 
war das eine Gefahr, die während des ganzen Verlaufes des Jahres 
1877 über West= und Mitteleuropa schwebte und nur darum we- 
niger beachtet und empfunden wurde, weil Aller Augen vorzugs- 
weise nach dem Orient und der Entwicklung der orientalischen Dinge 
gerichtet waren. Diese Gefahr ist jetzt beseitigt. Wenn auch in we- 
sentlich anderer Weise als Deutschland ist Frankreich selbst in den 
Kulturkampf für die Interessen des Staats gegen die Anfsprüche der 
katholischen Kirche eingetreten, in dem, wenn nicht alles trügt, der 
Sieg dem Staate und nicht der Kirche zufallen muß. 
Neben dem russisch-türkischen Kriege, dessen Forkgang England 
während des ganzen Jahres 1877 auf's lebhafteste in Anspruch 
nahm, und dessen Ausgang dasselbe als unmittelbar betheiligte 
Großmacht auf den Plan rief, und neben den schweren inneren 
Krisen, die Frankreich durchmachte, an denen Oesterreich sich ab- 
mühte und die sich in Deutschland vorbereiteten, treten die Vorgänge 
in den übrigen Staaten Europa's sehr in den Hintergrund. In 
Italien war die Linke an's Ruder gekommen und gebot momentan 
sogar über eine große Majorität in der Kammer, aber nur um sich 
rasch durch die Erfahrung davon zu überzeugen, wie viel leichter es 
ist, zu kritisiren als es besser zu machen, zu opponiren als zu re- 
gieren. Ihre Führer haben sich schneller, als man vermuthen konnte, 
abgenützt, die Partei ist schon jetzt in voller Auflösung begriffen und 
ihre Zeit dürfte bald genug abgelaufen sein. Spanien spielt in 
Wahrheit eine überaus traurige Rolle. Der junge König Alfons 
ist zwar offenbar vom besten Willen beseelt und entbehrt, in Eng- 
land ergogen, wohl auch nicht der Einsicht, soweit sie seinem Alter 
angemessen ist. Aber seine Regierung ist unter Leitung des allmäch- 
tigen Ministerpräsidenten Canovas del Castillo in den Händen der 
reactionären Parteien, wenn sie auch nach außen bemüht ist, einen 
schwachen Schein von Liberalismus möglichst aufrecht zu halten. 
Die schmählichen Gewaltthätigkeiten gegen die wenigen über das 
ganze Land zerstreuten Protestanten sprachen lanter, als alle schönen 
Phrasen der Regierung und ihrer osffiziösen Organe. Ein Umschlag
	        
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