66 D berisetr Reich und seine einzelnen Glieder. (Märgz 7.)
Herzen die Hoffnung auf ein Emporblühen des Schulwesens. Eichhorn wurde
gestürgt und sein Nachfolger Schwerin schrieb Conferenzen aus, um das Ur-
theil von Fachmännern einzuholen; aber die ausgesprochenen Wünsche fanden
kein Gehdr, die Rathschläge blieben unberücksichtigt. Nach den Märzstürmen
legte Camphausen der preußischen Nationalverfammlung einen ersten Verfas-
sungsentwurf vor, der auch Bestimmungen über das Schulwesen enthielt,
welche seoch der Versammlung nicht zusagten, und sie beschloß deßhalb, die
Schulfrage selbständig zu behandeln. Die meiste Schwierigkeit bot die Frage,
ob die Schule Staatsschule sein solle oder nicht. Es wurden verschiedene Ent-
würfe ausgearbeitet, keiner erhielt jedoch Geseßeskraft. Erst die 1850 erlassene
„revidirte Verfassung“ spricht wieder von einer Regelung des ganzen Unter-
richtswesens. Minister Ladenberg arbeitete auch in der That einen Entwurf
aus; ehe jedoch alle Gutachten hierüber einliefen, mußte Ladenberg dem re-
actionären Raumer Platz machen, und das Zustandekommen eines Unterrichts-
gesetzes wurde zum drittenmale vereitelt, indem Raumer erklärte, er sei für
den Augenblick weder im Stande noch Willens, ein allgemeines Unterrichts-
esetz vorzulegen; dagegen schuf er die drei preußischen Regulative, derentwegen
8 ein beiliger Kampf entspann. Trotz mancher Polemik über diese Regu-
lative, denen sich namentlich Diesterweg entgegenstellte, ruhten die fraglichen
Angelegenheiten unter Raumer's Verwaltung. Mit der Berufung Bethmann-
Hollweg's kamen die Regulative nochmals vor das Forum des Abgeordneten-
hauses (1854), welches diesmal nach längerer Debatte zur Tagesordnung
überging. Da faßte v. Bethmann-Hollweg den Entschluß, einzelne Theile des
Gesetzes successive durchzuführen; er erklärte 1859, die Regelung der öußeren
Verhältnisse der Volksschule sei dringend nothwendig und legte einen dies-
bezüglichen Gesetzentwurf vor, mit dem jedoch das Gesammtministerium nicht
einverstanden war, so daß auch dieser Entwurf den Weg der früheren, zu den
Acten, wandelte. Das Jahr 1862 brachte das Ministerium Mühler. Tiees
fand eine Regelung der Verhältnisse der Volksschule für nothwendig, aber
en Erlaß eines allgemeinen Unterrichtsgesetzes für bedenklich. In Folge einer
von Berliner Lehrern an das Abgeordnetenhaus gerichteten Petition wurde be-
schlossen, dieselbe der Regierung zu überweisen, mit der Bemerkung, die Erlas-
sung eines Unterrichtsgesetzes sei dringendes Bedürfniß, und wurden auf das
in ## e stehende Geseßz Bezug habende Grundsätze namhaft gemacht. Tieser
Beschluß hatte jedoch keine Wirkung, da die Regierung bei der von ihr be-
liebten Auffassung verharrte. In der Folge legte Mühler einzelne, die ma-
terielle Lage der Lehrer und die Einrichtung und Unterhaltung der Schulen
betreffende Entwürfe dem Landtage vor; er drang aber nicht durch. Dasselbe
Schicksal hatten die späteren vier revidirten Entwürfe, sowie der Unterrichts-
Gesetzentwurf vom Jahre 1869. Die politischen Ereignisse der Jahre 1870 und
1871 machten Mühler znähu, und er erhielt Anfangs 1872 seine Entlas-
sung. Was ein langjähriges Mißregiment in Schule und Kirche versäumt hatte,
sollte nachgeholt werden; dazu mußten alle Waffen des Staates zur Abwehr
ultramontaner und orthodoxer Gelüste geschärft werden. Diese schwierige und
wichtige Aufgabe sollte der neue, der gegenwärtige Minister Falk lösen. Es
ist nicht zu verkennen, daß durch das chulaufsicht geiet, wodurch die Schule
confessionslos wurde, daß durch Aufhebung der Regulative, durch die Aus-
schließung der Mitglieder geistlicher Orden von der Lehrthätigkeit in öffent-
lichen Schulen, durch die erfolgreiche Bemühung, für die Volksschule Geld-
mittel zu beschaffen, ein bedeutender Fortschritt erzielt wurde; andererseits
aber läßt sich nicht leugnen, daß noch viel, ja sehr viel zu thun übrig bleibt,
und daß nur durch die Erlassung eines auf #eteiklicher Basis geschaffenen
allgemeinen Unterrichtsgesetzes die Schulen Preußens gedeihen können — zu
Musterschulen.