70 Das derische Reihh und seine rinfrlsren Glieder. (März 10.)
auch denen, die von ihrer Ueberzeugung nicht loskommen, und doch einmal
mit zu den National= und Reichsgenossen gehören, es gar nicht übelnehmen
wenn ein alter Geist in ihnen noch fortgährt. Das erwähne ich nur in
Parenthese. Die Hauptsache dieses Theiles meiner Aeußerungen bleibt immer,
Sie zu bitten, daß Sie von Reichsministerien nicht zu viel erwarten. Sie
müssen nicht glauben, daß dann sehr Bieles leichter gehen würde, sondern
eine gewisse Scheu davor haben, die Reaction des Particularismus
gegenüber diesen reinen Centralbeamten zu kräftigen und zu stärken, und nach
meiner Ersahrung würde sie gewiß stärker werden, als sie bisher war. Stehen
wir der Gefahr gegenüber, dauernd unverhältnihmäßig hohe Matricular=
beiträge zu erheben? Wir haben mit Steuervorlagen keine ermuthigende Er-
fahrung gemacht. Vielleicht haben wir ungeschich ausgewählt; gewöhnlich
aber ist uns der Satz entgegengetreten: Wir wollen keine Steuervermehrung:
wir wollen eine Reform. Nun, m. HH., diesen Satz unterschreibe ich von
ganzem Herzen und kämpfe dafür, so viel meine Gesundheit und ge-
ringe Arbeitskraft, die mir nach einem mühevollen Leben ge-
blieben ist, es mir gestattet. Aber es gibt auch noch andere Leute außer
dem Hrn. Vorredner, deren Einwilligung ich dazu gewinnen muß, namentlich
wenn ich deren thätige Mitwirkung dazu haben will. Ich allein kann der-
gleichen nicht machen und ausarbeiten. In Folge dessen hat man uns heute
vorgeworfen, daß die Verantwortlichkeit. nicht richtig organisirt wäre. Die
HH. Redner haben sich dabei auf den Geist des constitutionellen Sy-
stems bezogen. Nun, m. HH., mit so unbestimmten Größen habe ich
nicht viel zu thun, ich betrachte sie als untergeordnet den ganz positiven Be-
stimmungen der Verfassung, unter der wir leben. Wenn ich in einer schwie-
rigen politischen Lage mich befinde, so ebe ich zuerst die Reichsverfassung an,
was sie mich anweist zu thun, und wenn ich an deren Hand mich bewege,
glaube ich mich — auf sicherem —in zu befinden.“
In seiner Rede berührt der Reichskangler auch eine Differenz mit dem
Marineminister v. Stosch im vorigen Jahre, indem er sagt: „Der Hr. Vor-
redner (Richter) hat sich ermuthigt gefühlt durch einen Erfolg, den er im
vorigen Jahre auf dem Gebiete der Marineverwaltung mit groher, mit einer
mich überraschenden Leichtigkeit erfochten hat. Da muß ich aber doch erwähnen,
daß ich selbst einen ahiichen Erfolg der Marineverwaltung gegenüber in den
Monaten, die der Vorlage vorhergingen, vergeblich zu erstreiten versucht habe.
Hort. !) Ich muß ja den zeien nen Ressorts glanben — sie verstehen die
' ich kann sie nicht controliren —, daß die Forderungen, die sie stellen,
*mi sind. Mit der Aorinaerwalting. habe ich im vorigen Jahre einen
angen und mit vielem dialektischen Aufwande geführen Kampf gehabt,
um die Mehrforderung, die sie dem Reichs- Finanzu#sster gegenüber stellte
(Heiterkeit) — als solchen betrachte ich den Präsidenten des Reichskanzleramtes
— herabzusetzen. Ich habe zuletzt vermöge der mir verfassungsmäßig zu-
stehenden Berechtigung die Sache im Sinne der geringeren Summe gegen die
Marineverwaltung entschieden und konnte deshalb nicht erwarten, daß die
Antorität oder die Ueberredungsgabe des Hrn. Richter um so viel stärker
als die meinige auf die Marineverwaltung wirken würde, daß bereits in der
ersten Sitzung dei letztere Verwaltung einsah, daß sie mit einem noch gerin
geren Sahe auskommen könne, zis dem von mir schließlich bewilligten und
im Anfang bestrittenen. Durch d ie Folgerungen, die der Vorredner an dieses
Ergebniß geknüpft hat, nothigi er mich, gewissermaßen Interna der Verwal-
tung hier klar zu legen, weil ich die Gesehren noch nicht beseitigt sehe, die
t daran tnühsen. Das nöthigt mich zu meinem Bedauern, dieses Verhält-
hier vorzutragen, wie es ist, um zu erklären, daß ich nicht glaube, daß
ich solche Vorgänge wiederholen werden.“