Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

266 Die Oesterreichisch-Angarische Monarchie. (Dec. 3 4.) 
Pforle, den Berliner Frieden gegenüber Montenegro und Serbien zur Aus- 
führung zu bringen, würde die orientalische Frage bei irgend einem Ereigniß 
in ganzer Ausdehnung zum Ausbruch gekommen sein, und wir müßlen dann 
Bosnien und die Herzegowina wieder den feindlichen Elementen entreißen, 
die sich innvischen dort angesammelt haben würden, und dieß hätte zehnsache 
Opfer gekostet.“ Der Minister führt nun aus , daß es nicht möglich gewesen 
wäre, die Occupation unter politisch günstigeren Modalitäten früher oder 
später durchzuführen. Die Finangfrage erörlernd, weis2t er auf die Opfer 
selbst kleiner Staaten, wie Serbien, Rumänien und Griechenland, hin und 
darauf, daß die und treffenden Lasten nicht die Hälfte der Summe aus- 
machten, welche die einfache Mobilisirung der Armee gekostet hälle. Für die 
Gewinnung einer neuen Position im Orient könnieu die Opfer zwar immer- 
hin groß erscheinen, keinerfalle aber vom Standpunkte des Jahresbudgets 
beurtheill werden. Dann erörtert er eingehend die Congreßresultate, von 
welchen er nachzuweisen strebl, daß sie für Oesterreich günstig seien, indem 
die Vergrößerung Serbieno und Montenegros reducirt und der Türkei be- 
trächtliche Gebielstheile restitnirt worden seien. „Turch das Occupations-= 
mandat erlaunten die Mächte die Legitimität der öfterreichischen Interessen 
im Orient an und sprachen aus. daß ein großes, starkes Oeslerreich eine 
enropäische Nothwendigkeit ist. Die Grundbedingung für Ausführung des 
Verkrages war die Ocecupation, die unausweichlich war für die Erhaltung 
der Türkei und, jalls dieß nicht gelingen jollte, zur Erlangung eines desen- 
siven Punkles." Die Rrgierungspolitik sei eine gut österreichische, sie könne 
nichl anders lauten als: Durchführung des Berliner Vertrages durch uns 
und Andere. 
3. December. Oesterreichische Delegation: Budgetauseschuß: 
Berathung des Occupationscredites pro 1879. Herbst beantragt, 
in dieselbe nicht einzugehen, sondern zur Bedeckung der Bedürfnisse 
der in Bosnien und der Herzegowina noch stehenden Truppen als 
außerordenltliches Heereserforderniß vorläufig 15 Millionen zu be- 
willigen; für elwaigen Mehrbedarf solle die verfassungsmäßige Zu- 
stimmung eingeholt werden. Der Antrag wird mit großer Majorität 
angenommen. — Hierauf gelangt der Ausschußbericht des Ref. Schaup 
über das Budgel des Aeußern zur Verlefung. Andrassy kritisirt 
den Bericht als Dinge enthaltend, welche bei den Verhandlungen 
des Ausschusses gar nicht zur Sprache gelangten. Er betrachte das 
Schriftstück der Form und dem Inhalte nach nicht als Bericht- 
erstattung, sondern als eine Anklageschrift und ein Mißtrauensvotum, 
und heiße das Opus in dieser Richtung von gangem Herzen will- 
kommen; es werde sich nun entscheiden, ob man und wer mit dem 
Terte desselben einverstanden sei. Andrassy erklärt, er sei gesonnen, 
dem Berichte gegenüber feine konstitutionelle Gesinnung an den Tag 
zu legen. Der Bericht wird bei namentlicher Abstimmung mit 12 
gegen 6 Stimmen unverändert angenommen. 
4. December. (Ungarn.) Tisza, vom Kaiser neuerdings 
mit der Reconstruction des Ministeriums betraut, berichtet demselben,
	        
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