Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Kebersicht der polilischen Enkwichelung des Zahres 1878. 513 
Stimmen. Auch Oesterreich hatte inzwischen einen bedeutsamen 
Schritt vorwärts gethan, indem am 24. Februar von einem großen 
Kriegsrath unter dem perfönlichen Vorsitze des Kaisers beschlossen 
wurde, von den Delegationen einen Gredit von 60 Mill. Gulden 
zu verlangen, um damit eventuell eine Truppenmobilisirung ins 
Werk setzen zu können. Rußland hätte sich dadurch allein am wei- 
teren Vorgehen und in seinem Widerstreben gegen jeden Eingriff 
der Mächte kaum abhalten lassen; aber an dem Ernste Englands 
konnte es unmöglich länger zweiseln. Die Maßregeln und die 
Sprache der Regierung im Parlament entsprachen und ergänzten 
sich und sie konnte sowohl auf die volle und herzliche Zustimmung 
der Königin als auf die bereitwilligste Unterstützung des weit über- 
wiegenden Theils der öffentlichen Meinung des Landes fest zählen. 
Zu einem Kriege mit England war aber Rußland weder vorbereitet, 
noch war es einem solchen in diesem Augenblicke gewachsen: es be- 
gann daher einzulenken. Der russische Votschafter in London, Grafgißland 
Schuwaloff, der das Vertrauen seines Kaisers genießt und einer maß-beainnt 
vollen, unter Umständen vermittelnden Politik auf Grund der gegebe- zn 
nen Zuslände zuneigt, während der Reichskangler Gortschakoff seit dem · 
Ausbruch des Krieges sich von der panslavistischen Strömung der 
öffentlichen Meinung Rußlands beeinflussen ließ, ging mit Ermäch— 
tigung des Kaisers Alexander nach St. Petersburg, um einen Aus- 
gleich mit England wenigstens zu versuchen. Seine Bemühnngen 
blieben nicht ohne Ersolg. Es wurde eine Formel für die Ein- 
berufung des Congresses gefunden, welche der Forderung Euglands 
ein Genüge that, ohne der Eigenliebe Rußlands zu nahe gu trelen 
und außerdem brachte er Instructionen und Vollmachten zurübl, 
welche eine Verständigung mil England begüglich derjenigen Ver- 
änderungen des Vertrags von St. Stefano ermöglichten, die das 
Interesse Englands gebieterisch Zu fordern schienen. Am 30. Main#er#än= 
kam eine förmliche Convention zwischen beiden Mächlen zu Stande. ** 
Die wichtigste Veslimmung desselben ging dahin, daß Rußland in Englann 
eine Zweitheilung des von ihm geplanten Bulgariens nördlich und und 
südlich des Valkaus einwilligte und auch darein, daß Süd-Vulgarien ußfand 
oder Ostrumelien der Herrschaft der Pforte verbleiben und das 
ägäische Meer nicht berühren sollte, sowie daß die Occupation der- 
selben nicht, wie der Verkrag von St. Stefano wollte, noch zwei 
volle Jahre dauern dürfe, sondern daß der Congreß darüber be- 
schließen solle; überdieß gestand Rußland neuerdings Zu, daß die 
Schulthess, Curop. (Eeichichtelalender. XIN. d. 33
	        
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