Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 6—7.) 51 
6. Febrnar. (Deutsches Reich.) GEröffnung des NReichstags. 
Dieselbe erfolgt dießmal nicht durch den Kaiser in einer Thronrede, 
sondern durch eine wesentlich geschäftsmäßige Rede des Staats- 
ministers Camphausen. 
6. Febrnar. (Preußen.) Herrenhaus: nimmt schließlich das 
Gerichtssitzgesetz en bloc in der letzten Fassung des Abgeordneten- 
hauses an. Der Justizminister erklärt, daß die Regierung, in der 
Hoffnung, das Ausführungsgesetz noch in dieser Session zu Stande 
zu bringen, beschlossen habe, die Session nicht zu schließen, sondern 
den Landtag auch neben dem Reichstag noch weiter tagen zu lassen. 
7. Februar. (Deutsches Reich.) Neichstag: Auf Antrag 
von Windhorst-Meppen werden das Präsidium und die Schriftführer 
der vorigen Session wieder gewählt und werden zunächst nur sehr 
untergeordnete Vorlagen auf die Tagesordnung gesetzt, um die poli- 
tische Vorlage par excelloncc, diesenige über die Stellvertretung des 
Reichskanglers, die z. Z. noch in den Ausschüssen des Bundesraths 
schwebt, zu erwarten. 
Der Reichskanzler wird demnächst aus Varzin in Berlin erwartet 
und daun werden die Verhandlungen beginnen, welche, wie man hofft, zu 
der Lösung der Regierungskrisfis Hühren sollen, welche seit dem letzten Früh- 
jahr über den Häuptern liegt. Die Regelung der Stellvertretung des Reichs- 
kanzlers — um bei dieser euphemistischen Bezeichnung zu bleiben — ist nicht 
die einsige, aber die wesentliche Vorbedingung; sie soll die Bildung einer 
großen geschlossenen Partei herbeiführen, welche in Zukunft in Uebereinstim- 
mung mit dem Neichskanzgler die Politik des Reiches und alio auch der 
Präsidialmacht bestimmen und demnach auch innerhalb der Regierung ver- 
trelen sein wird. Erst wenn die Berathung über die Stellverlretungsvor- 
lage zu einer Verständigung zwischen der Mehrheitsparlei und dem zeitigen 
Reichskanzler über die Formen und Bedingungen geführt hat, in und unter 
denen neben dem Fürsten Bismarck Mitglieder der Partei die innere Po- 
lilik des Reiches mitbestimmen und ausführen können, ist die Grundlage ge- 
geben, von der aus eine Vereinbarung über des wolitische Programm in 
Angriff genommen werden kann. Damit ist bereits konstatirt, daß die Stell- 
verlrelungsvorlage, wie sie an den Bundesrath gelangt ist, uur den Aus- 
gangspunlt zur Herbeiführung einer Verständigung bildet, mit anderen 
Worlen: daß die Stellung der Stellvertreter des Neichskanglers mit denjeni- 
gen Garantieen umgeben werden muß, welche jelbständigen Politikern die 
Üebernahme derselben? ermöglicht. Das ist das Problem, von dessen Lösung 
die Entwicklung der Dinge abhängt. 
7. Febrnar. (Preußen.) Abg.-Haus: Beschließt bei Be- 
rathung des Ansführungsgesetzes zur Gerichtsverfassung nach längerer 
Debatte in namentlicher Abstimmung mit 164 gegen 110 Stimmen 
die Einführung einer Amistracht für die Nichter und nach dem An- 
trage der Commission, gegen die Regierung, die Feststellung der 
Amtsgerichtssitze durch Gesetz. 
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