54 Has deullsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 19.)
hat eine gewisse Wichtigkeit, wenn es sich darum handelt, die Schlüssel des
Bosporns und der Dardanellenstraße in andere Hände zu verlegen, wenn es
sich darum handelt, zu entscheiden, ob Nußland selbst die Dardanellen be-
setzen soll. Für den Fall des Krieges wird es immer darauf ankommen, ob
der Inhaber des Schlüssels der Dardanellen im Bunde oder in Abhängigkeit
mit den drinnen oder draußen Wohnenden, mit Rußland oder Rußlands
Gegnern, ist. Im Falle des Friedens würde diese Vertragsbestimmung, die
man treffen könnte, so lange die Dardanellen eben in Händen sind, die im
Frieden von Rußland unabhängig sind, meines Erachtens gewiß nicht die
Bedentung haben, die man ihr beilegt. Es lann für die Anwohner des
Mittelmeeres nicht von Interesse sein, ob Rußland berechtigt ist, in Friedens-
zeilen durch die Dardauellen zu fahren und sich dort zu geigen. Wenn es
sich dort zeigte, würde ich aber immer wie beim Barometer auf gut Wetter,
auf Frieden schließen. Wenn es sich nicht Figt. daun würde man vermuthen
können, daß viellricht Wolken aussteigen. Tie Frage, ob im Frieden durch
die Dardanellen Kriegsschiffe fahren können, halle ich nicht für bedentungs=
los: aber doch nicht für so bedeutend, daß dies eine europäische Frage wer-
den könne. Ob der Besitz der Dardanelten in einer andern Hand ist, ist ein
ganz anderes Ding, aber eine Frage, die meines Erachtens in der gegen=
wärligen Situation nicht vorliegt und über die ich mich deßhalb nicht aus-
sprechen will. Mir kommis im Augenblicke nur daranf an, ungefähr so
weit ich es kann, das Gewicht der Interessen zu bezeichnen, über welche ein
neuer Krieg, nachdem der russisch- lürkische. beendet, entstehen könnte, und deß-
halb kommt es mir darauf an, zu präcisiren, daß die Friedensbestimmungen
über die Dardauellen in Beug auf Kriegsschiffe kaum so wichtig sind wie
in Begug auf den Handel. Darin liegt zunächst das hervorragende deutsche
Interesse im Orient daß uns die dortigen Wasserstraßen wie bieher ver-
bleiben (Beifall), und das ist noch gar nicht in Frage gestellt. In den amt-
lichen Mittheilungen, die von Petersburg darüber vorliegen, wird in diesem
Punkte einfach Bezug genommen auf die bestehenden Stipulationen des Pa-
riser Vertrages. Das Interesse, welches wir an einer Vesserung der Lage
der christlichen Nationen haben, an einem Schutz gegen die Gewaltthätig=
leilen, denen sie unter der türkischen Herrschaft ausgeseßt waren, wird durch
die zuerst genannten Punkte gewahrl werden, und das ist das zweite minder
directe, aber doch humanitär im Inleresse Dentschlande legeme Moment.
Mit dieser Darlegung ist die erste Frage über die # Lage der D iuge im Orient
beantwortet und dürfte dies Thema damit beseitigt sein. Die Frage, zu der
ich jetzt komme, betrifft die Stellung, Die Deutschland in Begiehung zu den
andern Mächten zu nehmen hat.“ — Dann geht derselbe über zu der Auf-
gabe der bevorstehenden Conseren) und erörtert die Frage, welche Stellung
auf derselben Teutschland und ihm als dem Vertreter desselben angemessen
sein werde: „Die Conferenz wird vermuthlich in der ersten Hälfte des März
beginnen und die Mächte vorher sich über den Gang der Verhandlung ver-
ständigen. Ich komme zu dem schwierigsten Theile der zu lösenden Frage,
zu der Darlegung über unsere Stellung auf der Conferenz. Ich kann da
nur allgemeine Gesichtspunkte neunen, die der Herr Interpellant schon be-
rührt hat. Wir kömen nur allgemeine Nathschläge geben, man kann uns
nicht zumuthen, jett schon unsere Politik feslnstellen und anderen aufzu-
rängen, wie es die Zeitungen wollen. Das wäre mehr Prespolitik als
Staatspolilik. (Heiterkeil.) Wir würden us damit die Rolle eines Vermitt-
lers unmöglich machen, worauf ich Werth lege. Die Vermittlung denke ich
mir nicht so, daß wir den Shicdrrichlen spielen, jondern mehr die eines
ehrlichen Maklers, der das Geschäft wirklich zu Stande bringt. Wir
sind in der Lage also, einer Macht, die geheime Wünsche hat, die Verlegen-