Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

Das denische Reich und seine einzelnen Glieder. (März 21—27.) 103 
der Vorredner hat sie zum Theil in übertriebener Form erwähnt. Ich will 
nur das eine nennen: Der erste Mehlthau, der auf meine Hoffnungen fiel, 
das waren die ersten Wahlen in Elsaß-Lothringen, die Erinnerung an den 
Protest, den wir hier angeblich im Namen der ganzen Bevölkerung aus dem 
Munde des Abg. Teutsch und unter Zustimmung seiner sammtlichen dama- 
ligen Collegen hören mußten. Es war das diesel 4. Tonart, wie wir sie noch 
heut aus dem Munde der geistlichen Vertreter dieses Landes, der H. Winterer, 
Simonis und Guerber, zu hören bekommen und die doch unter ihren Wäh- 
lern zahlreich vertreten sein muß. Wir können annehmen, daß diese geist- 
lichen Herren uns die Stimmung welche sie zu vertreten haben, doch geläutert 
durch hristliche Milde, die im geistlichen Innern steckt (Heiterkeit), hier vor- 
tragen werden. Wir müssen also befürchten, daß die Wähler den laien- 
haften Zorn, der den Geistlichen, den Priestern der Versahlng und des 
Friedens, nothwendig fehlt, schärfer zum Ansdruck bringen, als hier die Geist- 
lichen, die priesterlichen Vertreter, es ihrem Kleid und der Mürde und der 
friedlichen Mission angemessen finden. Diese Stimmung muß doch im Lande 
noch immer vorhanden jein, sonst hälten die Herren nicht gewählt werden 
können, deren Abneigung gegen jede Annäherung doch die Grenze, die sich der 
zweite Redner zog, und die für seinen Standpunkt schon ein erhebliches Ent- 
vegenkommen bildet, weit hinter sich zurück läßt. Wir werden daher doch 
alles, was wir diesem Land an Antonomie conzediren, und was ich schon im 
ahr 1871 in meiner damaligen öffentlichen Rede conzediren wollte, immer 
unter dem Gesichtspunkt betrachten müssen: ob es mit der Sicherheit der 
Reichslande, auch in weniger friedlichen Zeiten als sie jenzt vorhanden und 
in den nächsten Jahren zu hoffen sind, verträglich sein wird. Ich bin gern 
bereit bei den verbündeten Regierungen zu befürworten, daß wir den Reichs- 
landen das höchste Maß von Selbstständigkeit gewähren, das mit der mili- 
tärischen Sicherheit des Reiches auf dieser Seite verträglich ist. Das ist ein 
oralelhaftes Wort, welches in sich selbst seine Grenzen verändern kann, welches 
aber doch das Princip ausdrückt, nach dem wir alein handeln können und 
handeln müssen — unsere urtheile über, das Maß, das wir geben wollen, 
können ja sehr verschieden sein. Ich bin damals iie der Abkühlung, die 
ich durch das Auftreten der wvorhin begecchneim Protest-Abgeordneten erfuhr, 
bedenklich geworden, ob es richtig war, daß ich als Reichskanzler zu meinen 
allgemeinen anderen Aufgaben auch die eines alleinigen und regierenden Mi- 
nisters eines Landes von 1/ Millionen Einwohnern übernahm, welches die 
Verwaltung dadurch erschwert, daß es so weit von dem Sitze des Sonveräns 
und des Reichskanzlers abliegt. Wir haben uns zuerft geholjen durch Ab- 
bürdung eines Theils der ministeriellen Befugnisse auf den Oberpräsidenten; 
aber der Mangel ist der, daß die Hauptleitung der dortigen Politik einem 
Beamten anheimfällt, der nicht selbstständig der verantwortliche Vertreter seiner 
Handlungen ist, auf dem die ministerielle Verantwortlichkeit nicht ruht, son- 
dern der Reichskaugler trägt sie für ihn, und die Schwierigkeiten. welche ein 
solches dualistisches Verhältniß bereitet, hat ja der erste Redner geschildert, 
drastischer vielleicht als jür den Zweck der Annäherung nöthig war. (Heiterkeit.) 
Nach dem grtmuthifenden Gefühle, mit dem ich dieser ganzen Aufgabe, für 
mich als Reichskanzgler doch nothwendig Nebenoufgabe, gegenüberstand, habe 
ich mich gefreut, auf dem Wege des Stellvertretungsgesehzes die Berantwort- 
lichkeit von mir abbürden zu können, und in diesem Punkte möchle ich den 
ersten Redner berichtigen — der mich vertretende Ressortchef ist kein unver- 
antwortlicher, sondern ein verantworklicher Minister, die Verankworllichkeit 
geht mit der Stellvertretung auf die Herren über, die mich vertreten, sonst 
würde es keine Vertretung sein. Aber es bleibt ja richtig, daß die 200 Stun- 
den — wie der Antragsteller sagt — die zwischen der hiesigen Verwaltung 
  
 
	        
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