114 De beulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 1—3.)
tiger als bei der neulichen Plenarberathung entgegengetreken war. Zur Er-
llärung des Abstimmungsresultats mag übrigens dienen, daß von den sieben
nalionalliberalen Mitgliedern nur zwei in der Sipung anwesend waren.
1. April. (Hessen.) Mit diesem Tage kann die seit einiger
Zeit im Zug befindliche Neuorganisation der obersten Verwaltung
als abgeschlossen betrachtet werden.
Mit der erfolgten Auflösung der seither noch bestandenen zwei Mittel-
behörden und der Einfügung dieses Arbeitsgebiets in besondere Abtheilungen
des noch mit einem besonderen Chef versehenen Finanzministeriums sind alle
sogenannten Mittelbehorden beseitigt, und bestehen nur noch Local= und oberste
Verwaltungsbeamte. Das Staatsministerium vereinigt alle obersten Gewalten
in sich und erledigt alle wichtigeren Dinge collegialisch durch Heranziehung
der Vorsiyenden der Ministerialabtheilungen, Der damit beschrittene Weg
bescheidenerer Organisation der obersten Staatsverwaltung darf als das
Resultat der Verhandlungen und Zusagen angesehen werden, welche im vo-
rigen Jahre bei Gelegenheit der Feststellung der Civilliste des neuen Groß-
hergogs gefordert und gegeben wurden.
2. April. (Deutsches Reich.) Bundesrath: beschließt in
Betreff des Antrages über die Regelung der Gütertarife: dem An-
trage Württembergs gemäß einen besonderen Ausschuß einzusetzen,
in welchem das Reichskanzleramt, Preußen, Bayern, Sachsen, Würt-
temberg, Baden, Hessen, Oldenburg und Elsaß-Lothringen durch je
eine Stimme vertreten sein werden, ohne sich indessen schon jetzt,
wie der Reichskanzler gewünscht hätte, wenigstens im Princip für
die gesetzliche Regelung der Gütertarife zu entscheiden.
Fürst Bismark hat freilich nichts unversucht gelassen, den Widerstand
der Bundesstaaten mit eigener Eisenbahnverwaltung durch das „Gewicht seiner
Gründe“ zu überwinden. Hat er doch sogar versichert, das Tarif-Geseh werde
den Staatsbahn-Regierungen auch größere finanzielle Erträge bringen u. s. w.
Den principiellen Widerstand gegen sein Project hat Fürst Bismarck nicht
brechen können; der Bundesrath hat ohne Präjudiz die Einsetzung eines Aus-
schusses beschlossen, der sich mit der Frage beschäftigt: ob und eventuell wie
eine gesepliche Regelung des Eisenbahntarifwesens herbeizujühren sei. Jedenfalls
aber ist dafür Sorge getragen, daß dieser besondere Ausschuß in seiner Zu-
sammensebung nicht eine zweite Ausgabe der Zolltariscommission wird, in
der die Ansicht des Reichskanzlers von vornherein auf eine erhebliche Stimmen=
mehrheit rechnen könnte. Eine directe oder indirecte Ablehnung des Antrags des
Reichskanglers — als indirecte kennzeichnete er die Ueberweisung seines An-
trages an die ständigen Ausschüsse — war doch nicht wohl möglich. Bayern
wird ohne Zweifel mit Vorbehalt seiner Reservatrechte sich in dem Ausschuß
vertreten lassen, da es wohl weiß, daß es einem eventuellen Reichsgesetz gegen-
über sich doch nicht wird isoliren können. Um so mehr ist es in seinem In-
teresse. auf die Entwicklung der Angelegenheit in allen Stadien Einfluß
zu üben.
3. April. (Deutsches Reich.) Bundesrath: genehmigt nach
dem Willen des Reichskanzlers den von der Tarifcommission aus-
gearbeiteten neuen Zolltarif, dem nur sehr dürftige Motive bei-
gefügt sind, ohne denselben erst den Ausschüssen zur Prüfung zu