Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

Da deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (April 3. 119 
Oesterreich-Ungarns enthält im Art. 3 eine dahingehende Vorschrift; Aehn- 
liches findet sich auch in den Entwürfen zu dem schweizerischen und zu dem 
französischen Tarifgesetz. Mit Rücksicht auf die politischen und staatsrecht- 
lichen Momente, welche bei dieser Frage in den Vordergrund treten, beschloß 
die Commission bei der Berathung des von einem Mitgliede gestellten be- 
bezüglichen Antrags zwar, eine derartige Bestimmung in das von ihr zu 
entwerfende Tarifgesey nicht einzustellen; sie sprach sich jedoch mit großer 
Mehrheit dafür aus, daß eine gesepliche Vorschrift in der begeichneten Rich- 
tung als ein wirksames und nicht wohl zu entbehrendes Mittel 
der Abwehr gegenüber einer übermäßigen Zollbelastung oder zurücksehen- 
den Behandlung deutscher Waaren bei der Einfuhr in andere Länder anzu- 
sehen sei.“ Der Bundesrath hat nun auf den Antrag Preußens die Lücke 
durch den obigen §. 5 ausgefüllk. 
In der Motivirung des Kampfzollparagraphen wird aus- 
einandergesetzt: „Der vorliegende neue Tarif soll wie der jetzt bestehende allen 
fremden Staaten gegenüber gleichmäßig gelten. Von diesem Grundsah ab- 
zuweichen, kann unter Umständen geboten sein; wenn ein auswärtiger Staat 
durch seine Zoll= und Handelspolitik Deutschland dadurch benachtheiligt, daß 
er deutsche Schiffe oder Waaren ungünstiger behandelt, als diejenigen anderer 
Staaten, oder daß er die Einfuhr deutscher Erzeugnisse erschwert, so wird es 
in der Regel nicht möglich oder doch nicht rathsam sein, die Abhilfe für solche 
Beschwerden auf dem Wege der allgemeinen Politik zu suchen. Die Wege der 
letzteren sind von der Handelspolltik unabhängig und tragen ihre Gesetze 
und ihre Gegenseitigkeit in sich. Die wirthschaftlichen Einrichtungen können 
in keinem Lande den Wechselfällen der Politik untergeordnet werden. Die 
Abwehr gegen handelspolitische Benachtheiligung kann nur auf handels- 
politischem Gebiete stattfinden. Als das allein wirksame Mittel bietet sich 
hier die ausnahmsweise Einführung von Differenzzöllen auf die Producte 
derjenigen Länder dar, deren Zoll= und Handelssystem zu der Beschwerde 
Anlaß gibt. Die Ergreifung dieses Mittels wird ohne Weiteres als gerecht- 
fertigt erscheinen in allen Fällen, wo dasfelbe nur als Vergeltungsmaßregel 
gegen eine der deutschen Flagge oder deutschen Waaren im Ausland zugesügte 
differentiell ungünstige Behandlung sich darstellt.“ Es folgt nunmehr die 
entsprechende Anordnung im Art. V 3 des nenen österreichisch-ungarischen 
Tarifs, dann heißt es: „Im Interesse der Durchführung einer wirksamen 
nationalen Handekspolitit liegt es, die Möglichkeit eines Zollzuschlages auch 
für den Fall offen zu halten, daß ein fremder Staat, ohne die deulschen 
Erzeugnisse ungünstiger als diejenigen anderer Länder zu behandeln, auf die 
Eilfuhr solcher Artikel, deren Export für Deutschland besonders wichtig ist, 
unverhältnißmäßig hohe Zölle legt. Eine derartige Zollbelastung kann für 
Deutschland in der Wirkung eben so nachtheilig sein, wie eine formelle Zu- 
rücksetzung gegen andere Staaten. Dies wird insbesondere dann statt finden, 
wenn die Artikel, welche Deutschland in das betreffende Land auszuführen 
in der Lage ist, für dritte Staaten wenig oder gar nicht in Betracht kommen.“ 
Daran reiht sich die Anführung des Art. 5 eines neuen franz. Tarifgesetzes und 
des Art. 6 eines neuen frang. Tarifgeseyentwurfs. Daun fahren die Motive fort: 
„Nach der Vorschrift des österreichisch-ungarischen Gesetzes krifft der Zollzuschlag 
von 10 Procent die gesammte zollpflichtige Einfuhr aus dem betreffenden Staat, 
ohne daß es einer weiteren Anordnung Seitens der Regierung bedarf. Für die nach 
dem Tarif zollfreien Waaren tritt die gesetzliche Vorschrift erst dann in Kraft, 
wenn im Verordnungswege der specisische Zoll von 5 Procent des Handels- 
werths der Waare bestimmt ist. Es kann hiernach ein Unterschied zwischen 
den verschiedenen Artikeln der von dem Zuschlag getroffenen Einfuhr nicht 
gemacht werden; es ist nicht möglich, die besondere Lage der handelspolitischen 
  
 
	        
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