176 Das deuische Reich und seine rinzelnen Glieder. (Mai 31.)
welche der Bundesrath beschlossen, nicht sowohl die innere Organisation des
Reichslandes, als das Verhältniß desselben zu dem Bundesrath. Vergleicht
man die neuesten Beschlüsse mit dem Aille-mömoire, welches seiner Zeit der
Abg. Grad dem Reichskangler bei den Besprechungen über die Neugestaltung
des Neichslandes vorgelegt hat, so ist der Rückschritt unverkennbar. Hr. Grad
verlangte in erster Linie die volle Vertretung Elsaß-Lothringens im Bundes-
rath, eventuell für den Anfang nur mit berathender Stimme. Der Reichs-
langler wollte dagegen nur eine confultalive Vertretung zulassen, und zwar
nicht durch Ernennung seitens des Statthalters oder des Staatssecretärs, die
ja immer nur Vertreter des Kaisers, als des Sonveräns des Reichslandes,
sind, sondern nach Wahl des Landesausschusses. Der Bundesrath hat diesen
Delegirten ganz beseitigt, und dagegen dem Statthalter das Recht gegeben,
Commissäre in den Bundesrath abzuordnen zur Vertretung der Vorlagen
aus dem Bereiche der Landesgesehgebung, sowie der Interessen Elsaß-Loth-=
ringens bei Gegenständen der Reichsgesetgebung. Im leßten Grund ist dieß
eine Abschwächung der bisherigen Vertretung Elsaß-Lothringens im Bundes-
rath, da sowohl der Oberpräsident v. Möller als der Unterstaatsserrelär
Herzog als preußische Bevollmächtigte fungirten. Sie sollen in Zukunft
durch technische Commissäre der Landesregierung erseßtt werden, während der
Landesausschuß nicht in der Lage sein wird, seine in manchen Fällen viel-
leicht von denen der Landesregierung abweichenden Auffassungen bei den Be-
rathungen des Bundesraths über speciell elsaß-lothringische Gesetze geltend
zu machen. Der entscheidende Grund hiefür war wohl der, daß die Ver-
treter namentlich der Mittelstaaten den Delegirten mit berathender Stiume
als den Vorläufer eines Delegirten mit beschließender Stimme, eines
vollmächtigten des Reichslandes zum Vundesrath, betrachteten, und daß se-
weniger Vertrauen in die entgegenstehende Versicherung des Reichskanglers
als Furcht vor der Macht der Verhältnisse haben. Da eine besondere Ver-
tretung des Reichslandes im Bundesrath in letzter Instanz natürlich die
ahl der dem Kaiser schon jetzt zur Verfügung slehenden Stimmen ver-
zaehren würde, so witterten sie die Absicht einer Veränderung des Stimm-
verhältnisses zu Gunsten des Präsidiums und erinnerten sich des Wortes:
principiis obsla. Daß der Commandirende des XV. Armee-Corps aus der
Zahl der gebornen Mitglieder des Staatsraths gestrichen worden ist, erklärt
sich aus Gründen der militärischen Etiquette. Der Bundesrath hat dagegen
die Zahl der Mitglieder des Staatsraths, welche der Kaiser ernennen soll,
von 7 auf 8 vermehrt, so daß durch directe Ernennung des Kaisers ein
speciell die milikrischen Interessen vertretender Militär, vielleicht der Chef
des Stabes des Commandirenden, in den Staatsrath berufen werden kann.
An biesen. Punkt übrigens tritt, die Ernennung des Feldmarschalls Frhrn.
v. Manteuffel zum Statthalter vorausgesehyzt, die nicht unwichtige Frage
ern wie das Verhältniß des Feldmarschall-Statthalters zum Obercom=
mandirenden des XV. Armee-Corps und überhaupt zu den Militärbehörden
im Reichslande geregelt werden soll. Die Dotirung des Postens eines Statt-
halters ist in dem Nachtrag des Landeshaushaltsetats mit im Ganzen
215,000 #&, Repräsentations= und Reisekosten einbegriffen, festgeseht. Die
Summe erscheint sehr hoch, namentlich wenn man bedenkt, daß der Reichs-
kanzler bisher als Minister für Elsaß-Lothringen gar keinen Gehalt bezogen
hat. Aber selbst der Statthalter von Luxemburg bezieht 28 000 Francs,
ebenso viel der französische Generalgouverneur von Algier, und so wird ein
Vertreter des Kaisers in den Reichslanden nicht schlechter gestellt sein können,
wenn er den Anforderungen, welchen er zu genügen hat, gewachsen sein soll.
31. Mai. (Preußen.) Die Angelegenheit der Pensions=
zahlung an die Königin Marie von Hannover und deren Töchter