Das deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 9.) " 207
Kostgänger bei den Einzelstaaten, ein mahnender Gläubiger, während es der
reigebige Versorger der r*m jein müßle bei richtiger — der Quellen,
u welchen der Schlüssel durch die Verfassung in die Hände des Reichs gelegt,
bisher aber nicht benutzt worden ist. Dieser freigebige Versorger wird das
Reich durch die Annahme des Franckenstein- schen Antrages, der sich von dem
früher in der Commission vorgelegten Bennigseu'schen nur dadurch unter-
scheidet, daß man den Einzelstaaten ein höheres uch der Antonomie in der
Verwendung des ihnen Zugestandenen beläßt. Wenn das Reich den Einzel-
staaten nach seinem Ermessen seine Ueberschüsse überweisen wollte, dann dürfte
sich nach den neulichen Vorgängen in der Commission, wo die Abgg. Nickert
und Nichter die württembergische Finanzverwaltung vor ihr Forum gezogen
haben, leicht ein System entwickeln, nach welchem alle Budgets, das preußische
so gut wie das württembergische, hier vor das Forum der Neichstags-Finang-
commission gezegen würden, und Das wäre ein Unitarismus, den ich für
ädlich und für verwirrend halten würde, und welchen sich die einzeluen
deutschen Stämme mit ihrem Selbständigkeitsgefühl schwerlich werden ge
fallen lassen. Diese Sache gehört von Rechtswegen in das Gesetz und nicht
die Verfassung. Das Reich ist nicht bloß ein Kostgänger, der ein gutes Kost-
geld bezahlt und darüber hinaus sich freigebig erweist, sondern es ist ein
Kostgänger wie ein König, der bei einem Privatmann wohnt, und das Reich
steht in voller Berechtigung seiner Finanzhoheit da, wenn es sich der Pflicht
umie czieht, durch Flüssigmachung der unter seinem Verschluß liegenden Quellen
der Finanznoth der Einzelstaaten aufzuhelfen, ohne eine eifersüchtige und die
Grenzen des Ressorts überschreitende Einmischung in das Verwaltungswoesen
der Einzelstaaten. Die Matricularbeiträge beruhten bisher darauf, daß da
Reich die Einzelstaaten gewissermassen auwchungerle durch Versagung der Zu-
flüsse, die aus den indirecten Quellen kommen könnten, und dabei doch in
jedem, Jahre wie ein mahnender Gläubiger die Matricularumlagen verlangte;
jetzt schwindet die Finanzuoth, die ja die einleitende Motivirung meiner
Janzen Operation in dieser Frage gebildet hat; sie ist zum Theil gehoben,
und wenn auch nicht in dem Maße, daß alle die Reformen an den directen
Steuern, die Sublevationen der nothleidenden Gemeinden schon ausgeführt
werden können, die mir vorschweben, so glaube und hoffe ich doch, daß ein
erheblicher Theil davon schon bald, sobald nur die Ertraglohhgtet der Tabak-
siener überwunden sein wird, die au dem Mangel der Nachsteuer liegt, in
Angriff genommen werden lann. Die Ungleichheit der Belastung durch die
Matricularumlagen, die ich auch, wie ich hier sehe, damals gerügt habe,
schwindet ja, wenn die Vertheilnu, nach demselben ungleichen Maßstabe statt-
findet, wie die Einzahlungen. Wie nun dadurch die Finanzhoheit des Reichs
geschädigt werden sollte, dafür suche ich vergeblich nach irgend einem Verfassunzs-
paragraphen. Man könnte, wenn man theoretisch u Werke gehen wollte,
zuerst fragen: was ist denn eigentlich das Reich: Die Verfassung gibt darüber
eine ganz anthentische Auskunft, der gegenüber aber verschiedene abweichende
Auslegumoen im Publikum bestehen. Wenn ich diese Besorgnisse * wie
„ Reich gefährdet sein werde, wenn den Bundesstaaten zwar nach wie vor
de- verfassungsmäßige und jeder Zeit inne zu haltende DBä#tichtnah bicl
die Matricularumlagen in der vom Reichstag zu bewilligenden Höhe un
weigerlich zu bewilligen, wenn dieses für das Reich gegebene Verhältniß er-
halten wird, wo liegt dann der Unterschied, der hier zwischen dem Reich und
den Staaten gemacht sein soll Das ist meines Echchlen ein ganz unbe-
rechtigter Cinnbent, namentlich für uns, die wir auf der Ministerbank sitzen.
Wir sprechen im Namen der verbündeten Regierungen. Können nun die ver-
bündeten Regierungen gegen sich selbst einen Verdacht hegen, daß sie ihren
Bundespflichten gegen das Reich nicht nachkommen? gegen das Reich, das