Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 7 —1I.) 229
7. September. (Deutsches Reich.) Generalversammlung
der Katholiten Deutschlands in Aachen.
Aus der Vorgeschichte der Versammlung in von politischem Interesse,
daß ein Comité-Mitglied den Antrag gestellt hatte, das Bild des Kaisers
neben dem des Papstes aufzustellen, das Comiké aber mit 23 gegen 16 Stim-
men sich dagegen entschied, worauf das antragstellende Mitglied, Landrath
Janssen, austrat. Die Negierungsfreundlichkeit des Centrums scheint troß
seiner Unterstützung der neuen Wirthschaftspolitik noch sehr viel vermissen
v lassen. In der Versammlung bringt der Ausschuß für die Schule fol-
rende Resolntionen in Vorschlag: „Die Generalversammlung verlangt: 1) daß
er confessionelle Charakter der Schulen erhalten und wiederhergestellt, die
atholischen Schulstiftungen ihrem Zwecke nicht entfremdet und das Recht der
-atholischen Gemeinden auf die von ihnen gegründelen Schulen geichübt werde;
2) daß die allgemeine und specielle Aufsicht über die katholischen Schulen den
irchlichen Organen überlassen und auch bei Erziehung der Lehrer der geist-
licen Antorität der ihr gebührende Einfluß gesichert werde; 3) daß die Lei-
tung und Ertheilung des Religionsunterrichts in der Volksschule der kirch-
lichen Antorität und den von ihr besftellten Geistlichen und Lehrern mit
Ausschluß aller anderen nicht competenten Personen zuerkannt werde; 4) daß
an den zur Zeit beslehenden öffentlichen Schulen der katholische Neligions-
unterricht in einer der Würde und Wichtigkeit der Gegenstände entsprechenden
Stundenzahl innerhalb der planmäßigen Unterrichtszeit im Schullocale und
nach den von der betreffenden bischöflichen Behörde vorgeschriebenen Lehr-
büchern ertheilt werde; 5) daß der Errichlung von Privatschulen und Privat-
instituten, welche sich einen Unterricht und eine Erziehung nach den Grund-
säben der katholischen Kirche zur Aufgabe machen, nicht Hindernisse ent-
begengestelt werden, wie solche in der neuesten Zeit in einer die Rechts-
gleichheit schwer verlebenden Weise erhoben wurden. Dieses sind die For-
gerungen, welche nach Ansicht der Generalversammlung unbedingt und un-
verweilt von allen Katholiken Deutschlands zur Geltung gebracht werden
müssen, damit die schwerste und tiefgreifendste Bedrückung des Gewissens be-
seitigi werde. Eine wahre, bleibende und allseiiig b befriedigende Lösung der
Schulfrage aber ist in denselben keineswegs gee en. Solche ist nur dann
zu erwarten, wenn die im Eingang dieser Erklärung ausgesprochenen Erund-
säbe zur Geitung kommen und der Kirche wie den Eltern die Freihei
Unterrichts in vollem Umfang zurückgegeben wird.“ Die Weeiheit,de
nimmt die Resolution ohne weitere Debatte an. Ein weiterer Antrag des
Ausschusses, welcher an die bereits 1862 beschlossene Gründung einer „freien
latholischen. Universität“ erinnert und zum Verharren in der Opferwilligkeit
für diesen Zweck auffordert, wird ebenfalls angenommen.
9. September. (Deutsches Reich.) Die gouvernementale
„Nordd. Allg. Ztg.“ constatirt, daß die russische Presse, nachdem sie
kurz vor der Reise des Zaren nach Warschau und der freundschaft-
lichen Sendung preußischer Officiere unter der Führung des General-=
feldmarschalls v. Manteuffel die Angriffe gegen Deutschland auf
Weifung der Regierung eingestellt, nach der Zusammenkunft in
Alexandrowo den Kampf wieder ausgenommen habe und zwar in
der allergehässigsten Weise.
11. September. (Sachsen.) Das Resultat der Erneuerungs-
wahlen der Hälfte der zweiten Kammer ergibt 9 National-Liberale,
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