Da deuische Reich und seine rinzelnen Glieder. (Sept. 18.) 231
Schaffen endet die Thätigkeit des höchsten prenfischen Gerichtshofes, dessen
Erkenntnisse das Recht wesentlich gefördert haben. Von den Obertribunals=
sprüchen behalten sehr viele dauernden Werth; sie sind Erweisungen höchster
ridischrr IJutelligenz und charaktervollsten Denkens. Es gibt wohl keine
Rechtsirage, die unser höchster Gerichtshof nicht geprüft und beantwortet
püre lnd sast immer waren andere Gerichte in der Lage, die Nechtsanichamng
des Obertribunals als eine für sie maßgebende anzusehen. Das Reichsgericht
erhält mit den Erkenntnissen des Tribunals eine überreiche Erbschaft, die
sich dauernd verwerthen läßt. Nur eines ist es, was auf unserem höchslen
Gerichtshof wie ein Alp gelastet hat: Twesten! Um dieses Falles willen
ist, wie der Instigminister Dr. Leonhardt im Abgeordnetenhaus eingestand,
„das Ansehen des Obertribunals schwer geschädigt worden“; der Minister
änßerrte sich in diesem Sinn, als bei Verathung des Justiz Etats die „Hilfs-
richter“ zur Sprache gekommen waren. Der Proceß Twesten veranlaßte den
Deutschen Reichstag zur Verlegung des Neichsgerichts nach Leipzig, und
dieser Beschluß hatte die unnmehrige Schließung des Obertribunals zur
Folge. Ohne den Fall Twesten hätte sich am 1. October das preußische
Oberlribunal hier in Berlin zum deutschen Reichsgericht erweitert. Mit
seiner „Competenz-Ueberschreitung“, wie der Obertribunalsrath I)#. Waldeck
den Beschluß in Sachen Twesten nannte, hatte der höchste preußische Ge-
richtshof seine jetzt erfolgte Schließung herbeigeführt; dieß hervorzuheben, ist
zum Verständniß der Dinge unerläßlich. Im lebrigen leibi dem Ober-
tribunal der wohlverdiente Nuhm um Hunderter von Entscheidungen willen
steht es unerreicht da." Tie „Nat.-Zig.“ weist in ihrer Betrachtung über
den Abschluß der Thätigkeit des böchsen preußischen Gerichts die innere Be-
gründung des Uebergangs der prenßischen zur deutschen Rechtsentwicklung
nach. Das Bedauern, daß der höchste deutsche Gerichtshof nicht in Berlin,
emitten im Strome des Lebens“ , seinen Sitz erhalten, kann auch die „Nat.=
Ztg.“ nicht unterdrücken.
18. — 25. September. (Elsaß-Lothringen.) Der Kaiser
wohnt den großartigen und glänzenden militärischen Manövern in
Elsaß-Lothringen bei und geht dann zur Erholung nach Baden-
Baden.
Ohne den mindesten störenden Zwischenfall, ohne irgend etwas, was
nur im entferntesten einen unangenehmen Eindruck hätte hinterlassen bönnen,
ist diese ganze Kaiserreise, die dan unausgesetzt vom besten Wetter begünstigt
wurde, verlaufen, so daß sie in jeder Hinsicht als vollkommen gelungen an-
gesehen werden kann. Ein unbefangener Augenzeuge des ganzen Aufenthalts
es Kaisers von seinem ersten bis Zum lehzten Tage faßt fein Urtheil über
den Empfang dahin zusammen: „Die ländliche Bevölkerung, und ganz be-
sonders die protestantischen Landgemeinden im Unter-Elsaß, bewiesen dem
Kaiser lante Sympathien und aufrichtigen Jubel, die vornehmen wirklichen
Eingebornen in Straßburg benahmen sich dagegen sehr reservirt, aber durch-
aus gesehmäßig. ja selbst höflich und taclvoll, ebenso zeigte sich auch durch-
gehends die französische Bevölkerung von Metßz und anderwärts in Loth-
ringen. Irgendwie feindselige Demonstrationen oder gar Gehässigkeiten kamen
nirgends vor, aber auch der laute Jubel und die vielen äußeren Freuden-
bezeugungen kamen fast ausnahmslos nur von den zahlreichen eingewanderten
Deutschen und den Tausenden von Festbeiuchern aus Baden, der Nheinpfalz
und den preußischen Rheinlanden. Die vielen schon entlassenen Neservisten
aus Elsaß-Lothringen zeigten durchweg eine deutsch-freundliche Gesinnung.
Die allgemeine Dienstpflicht ist enkschieden das beste Mittel, das neue Reichs-