234 Das deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 22.)
des Aufenthalts des Reichskanzlers in Wien vom österreichischen Kaiser unter-
zeichnet wird und au#sh vom deutschen Kaiser unterzeichnet werden soll.
22. September. (Deutsches Reich.) Generalversammlung
des (schutzzöllnerischen) Centralverbandes deutscher Industrieller in
Augsburg. Dieselbe beschließt, das Directorium zu ermächtigen,
„dem Reichslangler und allen Mitgliedern des Bundesraths, welche
im lehten Reichstage so mannhaft für die deutsche Industrie eingetreten sind
und die Erfolge herbeiführen halfen, deren sich dieselbe jett zu erfreuen hat,
den Dank des Centralverbandes aus zusprechen", und faßt in der Frage der
Handelsverträge einstimmig folgende Nesolution: „1) Die vollständige
Turchführung des neuen autonomen Zolltarifs soll auch beim Abschluß neuer
Handelsverträge unbedingt fesigehalten werden. 2) Das elwaige Zugeständniß
der Meistbegünstigung ist nur auf kündbare, oder kürzere Fristen, und nur
unter den erforderlichen Vorbehalten zu gewähren. 3) Vor dem Abschluß
von Handelsverträgen sind die betheiliglen Bnberressenten- Kreise gutachtlich zu
hören. 4) Bezüglich der bereits eingeleitelen Berhandlungen mit Oesterreich
ist es erforderlich, daß der den beiderseitigen Interessen enlsprechende Ver-
edelungsverkehr aufrecht erhalten werde, ohne daß indeß wie bisher die be-
zchtiten Interessen einzelner Industriegveigr, insbejondere der deutschen
Leinwand- Industrie, geopfert werden“, und ferner bez. der Frage der Er-
richtung eines „volkswirthschaftlichen Senats“: „1) Die Solidarilät der
Intereisen der Landwirthschaft, des Handels und der Industrie (Gewerbe))
erheischt eine gemeinsame Vertretung der 3 bis jebt getrennt stehenden
Gruppen. Nur durch diese Vereinigung in Verbindung mit Vertretern der
oberen Reicheinstanzen wird eine sachliche, auf das Gedeihen der gesammten
wirthschaftlichen Thätigkeit der Nation gerichtete Prüsung der einschlagenden
Maßnahmen gewährleistet. 2) Demzufolge erachtet die Generalversammlung
die durch Reichsgeseh zu bewirkende Einsehung eines aus höheren Beamten,
Reichstagsabgrordneten, sowie aus Vertretern der genannten wirthschaftlichen
Gruppen unter Berücksichtigung des Verkehrswesens bestehenden Collegiums
für erforderlich, welches als Beirath der Neichsregierung in allen wirth-
schaftlichen Fragen fungirt, sei es auf besondere Berufung, sei es aus eigener
Initiative. 3) In Erwägung der Wichtigkeit und Schwierigkeit einer solchen
Einrichtung sieht die Generalversammlung indeß jeht von weiteren Erörter-
ungen ab und beauftragt Präsidium und Ausschuß ohne Berzug eingehende
Vorschläge vorzubereiten und aufs dringlichste — womöglich in Verbindung
mit den Vertretungen der anderen wirthschaftlichen Gruppen — bei der
Reichsregierung vorstellig zu werden.“
22. September. (Preußen.) Da es bereits außer Zweifel
ist, daß der neue Cultusminister v. Puttkamer das Unterrichtswesen
nicht nur in einem von dem bisherigen theilweise abweichenden,
sondern geradegu entgegengesetzten Sinne zu leiten beabsichtigt, so
ergreift der bisherige Minister Falk eine Gelegenheit, sich darüber
in einem offenen Briefe auszusprechen. Die Veröffentlichung macht
auf Seite der Regierung ein peinliches Aufsehen.
Brief des gew. Ministers Falk: „ Ich kann meine Sorge
über den Ausfall der Wahlen nicht unterdrücken“ und fasse die Sachlage in
dieser Beziehung schwerer auf, als mancher, der im allgemeinen Reaction
kommen sieht. Dagegen hege ich diese generelle Furcht nicht. Fürst Bis-
marck geht sicher nicht, um den vulgären Ausdruck zu gebrauchen, nach Ca-