Das deusche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 27 — Oct. 1.) 235
nossa, wenn er es vermeiden kann, und er vermag ja viel zu vermeiden.
Auf verschiedenen Gebieten würde es einer Menge Gesetesanderungen be-
dürfen und dazu gehörten vor allem bestimmte und mögliche Ziele. Auf
wichtigen Gebieten haben sich, wie es scheint, die Geguer noch nicht gefunden;
wirkliche Sorge trage ich aber megen des Unterrichtswesens. Darum
kämpfen die wichtigsten Factoren der Gegner am leidenschaftlichsten und in
gleichem Geiste. Hier steht ihnen uͤn Gesetz im Wege und kann ihnen bei
der Natur des Gegenstandes keines im Wege stehen. Ueber den Geist, in
welchem das Unterrichtswesen geleitet wird, entscheidet stels die Verwaltung.
Es wird sicher nicht ausbleiben, daß die gegenwärtige Verwaltung den an
sie gerichteten Anforderungen in ganz anderer Weise entgegenkommt, wie ich
das für statthaft hielt. Wird sie nicht aber auch dem sich vorberei#ienden
Ansturme Einränmungen machen müssen, die sie bei freiem Willen nicht
geben würde? Das wird zu gutem Theile wiederum vom Ausgange der
Wahlen abhängen. Es ist mir darum erfreulich, daß in den weilesten
Kreisen sich ein Erkennen oder doch Enpsinden dafür bildet, wo die ernsteste
Vertheidigung geboten erscheint. Die mir ans Anulass meines Rücktritts
gewordenen Kundgebungen, so zahlreich, daß an eine Beankworlung der-
selben nicht gedacht werden kann, enthalten dafür den Beweis mehr fast noch
als die Adresse. Daraus erwächst eine Hoffnung. Eine andere gewährt mir
der Umstand, daß manches doch schon zu tief Wurzel gefaßt hat, um wie
mit einem Schwamme weggewischt werden zu können. Ich bin endlich über-
zengt, daß, wenn es zu erhalten gelingt, bis sich die Kampfesleidenschaft ge-
legt hat, die Beurtheilung manches während meiner Verwaltung Gewordenen
eine günstigere wird und darum die Angriffe auf dasselbe enden werden.
Sie sehen, ich gehöre nicht zu den Pessimisten, aber freilich, die pessimistischen
Auffassungen müssen Wahrheit werden, wenn von denen, welche zum Han-
veln be berufen sind, die Hände in den Schoß gelegt werden. Möge das nicht
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27. September. (Deutsches Reich.) Das bisherige Reichs-
Oberhandelsgericht hält in Leipzig seine letzte Sißung.
30. September. (Bayern.) II. Kammer: der Finanzminister
v. Riedel legt derselben das Budget für 1880 vor und begleitet
die Vorlage mit einem Expose über die Finanglage des Landes.
Demnach beträgt das Deficit für die bevorstehende Finanzperiode rund
25 Mill. —&4 das durch die vom Reichstag nen beschlossenen Zölle auf ca.
13 Millionen reducirt werden dürfte, und das Finanzgeseb beantragl daher
einen außerordentlichen „uichlag zu den directen Steuern im Betrage von
13.391,500 —+&“ Von der Vereinbarung neuer Steuergesebe würde es ab-
hängen, um welchen Betrag dieser Zuschlag ermäßigt werden könne. Bezüg-
liche Gesetzentwürse würden der Kammer baldmöglichst zugehen. Namentlich
soll der Maljaufschlag um 1./# pr. Hektoliter Braumal)z erhöht und sollen
dadurch 5 Mill. hereingebracht werden, wenn der Aufschlag schon bis zum
1. November bewilligt würde; falls er erst mit dem 1. Juli 1880 eingeführt
würde, könnte das Deficit nur um 3 Mill. erleichtert werden.
1. October. (Deutsches Reich.) Mit diesem Tage tritt die
vom Bundesrath und Reichstag beschlossene und vom Kaiser fanctio-
nirte Justigreform, die neue Gerichtsverfassung für das gesammte
Reich in allen seinen Gliedern, in Kraft und wird das neue oberste
Reichsgericht in Leipzig feierlich eröffnet.