Das dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oct. 12.) 245
Erträgniß angeseßt, jedenfalls würde für Bayern kein auf Millionen sich er-
gebendes Mehrerträgniß zu erwarten sein. Wenn die Schutzzölle wirksam
sein sollten, so müsse ihr Erträgniß sich eher mindern als erhöhen. Uebri-
gens weist der Minister wiederholt auf den Effect der Handelsverträge hin,
und hebt einen darauf bezüglichen Passus in der Thronrede hervor, womit
der Kaiser von Oesterreich den Reichsralh rroffmi hat. Ein aemelberrtna
mit Oesterreich würde die Getreide-, Vieh-, Holz-, Leinen-Zölle 2c. mindern
Auf Erhöhung der Einnahmen aus Zöllen sei keine verlässige Hoffnung zu
bauen, man solle bei so wichtigen Sachen nicht in den blauen Nebel hinein
sprechen. Auf andere erhebliche Mehreinnahmen sei auch nicht zu rechnen,
auch nicht auf Millionen= Mehreimahmen aus den Forsten. Durch fortwäh-
rende (#Ausnahme von Darlehen fihni man dauernde Lasten, schädige den
Staatscredit; eher trete er zurück, als daßz er zur Deckung der laufenden
Ausgaben Schulden mache. Wenn er sich in der Sihung vom 8. darüber
erregt gezeigt habe, so habe Das nur seinen Grund in seinem Interesse für
das Staatswohl. Der Einwand, daß man zur Zeit noch nicht klar in das
Budget sehe, habe keine Berechtigung. Wenn man am 1. November die Er-
höhnug des Malzaufschlages nicht einführe, so sei der finanzielle Ausfall
klar. Wenn man nur eine halbe Stunde lang das Budget durchsehe, so
müsse man sich überzeugen, daß keine besondere Hoffnung auf Mehrung der
Einnahme und Abminderung der Ausgabe um eine nennenswerthe Summe
bestehe. Der Minister erörtert dann die Wirkung der Verschiebung des Ein-
führungslermines der Erhöhung. # einzig Nichtige sei, die Erhöhung am
1. November einzuführen, diese „Maßregel sei dictirt von dem lebhaftesten
Interesse für die Steuerzahler. Der Minister schließt, daß er einen Beschluß
der Landesvertretung, das ganze Deficit durch Erhöhung der direrten Steuer
zu decken, annehme, daß er aber, im Falle Deckung durch Anlehensaufnahme
beschlossen würde, zurücktreten werde.
12. October. (Deutsches Reich.) Der Reichsanzeiger ver-
öffentlicht ein Rundschreiben des Reichskanzlers an die Bundes-
regierungen, betreffend die reichsgesetzliche Negelung des Versicherungs-
wesens.
Ein solches Versicherungsgese war schon 1867 in der norddeutschen
Bundesverfassung vorgesehen. Das Versicherungswesen bezweckt die Ans-
gleichung von Schäden, und dieser Zweck kaun um so vollständiger erfüllt
werden, je ausgedehnter das Gebiet ist, auf welchem die Ausgleichung er-
folgen kann. Verschiedenartige Gesegebung behindert dieses Ausdehnung des
Geschäftsbetriebes; somit ist für keinen Geschäftszweig die einheitliche Geseh-
gebung ein größeres Bedürfniß, als gerade für das Versicherungswesen. Das
Project eines Reichsversicherungsgesezes hat aber bis jetzt fast die Rolle der
Seeschlange gespielt, die von Zeit zu Zeit am Horigont auftaucht und als-
dann wieder verschwindet, ohne daß man übeer die ernslhafte Natur der Er-
scheinung in's Klare kommen kann. In der fruchtbarsten Zeit der Bundes-
gesehgebung, vor 1870, verhinderte ein bnreanlralsscher Decernent im preußi-
schen Ministerium des Innern, geh. Nath Moah= die Ausarbeitung eines
Neichsgesehenkwurfes. Es wurde 1869 ein besonderer Entwurf für Preußen
ausgrarbeitet, zuan dem aber das Abgeordnetenhaus damals nichts wissen
wollte. Dann kam der französische Krieg dazwischen, und nach demselben
erheischte die 1a der Vorarbeiten auf die Verhältnisse Süddeutsch-
lands Aufschub. Im Jahre 1874 war man so weit, daß man sich vornahm,
einen im Reichskanzleramt ausgearbeiteten Entwurf den Versicherungsgesell-
schaften zur Begutachtung zu unterbreiten. Da beschloß der Bundesrath die