250 Das deulsche Reich und seine einteluen Glieder. (Oct. 14—15.)
bei der Aufstellung des Unterrichtsgeseßes anzubieten, da ja der Staat nun-
mehr gegen übertriebene Ansprüche der Kirche gesichert sei in Folge seiner
neuen Gesetzgebung; aber eine Aussicht auf Erfüllung dieser Wünsche sei
noch nicht eröffnet worden.
1I. October. (Bayern.) Der König ermächtigt den Finanz-
minister, bei der II. Kammer zu beantragen, daß der Malgzaufschlag
statt von 4 auf 5 4, gleich auf 6.4 pro Hectoliter Malz erhöht
werde. Der Liter Bier würde dadurch muthmaßlich um 1 F. ver-
theuert, dagegen das ganze Deficit im Budget ohne Erhöhung der
directen Steuern gedeckt werden. Die Annahme des Antrags seitens
der II. Kammer ist bereits wenigstens wahrscheinlich.
I. Kammer: Eisenbahnausschuß: der Referent v. Neuffer be-
antragt, den Gesetzentwurf betr. die Vervollständigung des Staats-
eisenbahnnetzes so wie er aus der II. Kammer hervorgegangen ist,
bei der gegenwärtigen Lage der Staatsfinanzen wesentlich abzulehnen,
wenigstens den Art. 1 desselben (den sog. Hoffnungs-§.), in welchem
von der Kammer der Abgeordneten 25 Linien aufgenommen wurden, die
außer den im Gesetze vom 29. April 1869 vorgesehenen zur Ausführung be-
stimmt werden sollen — gänzlich abzulehnen und in den Art. 2 nur drei
zu erbauende Linien aufzunehmen, mit einem Kostenaufwande von bloß 18
Mill., während die II. Kammer 7 Linien beschlossen hat mit einem Aufwande
von 44,900,000
15. Oclober. (Deutsches Reich.) Der Keiser unterzeichnet,
obgleich mit schwerem Herzen, das vom Reichskanzler in Wien ab-
geschlossene Schutzbündniß mit Oesterreich.
Unmittelbar nach der Rückkunft des Reichskanzlers von Wien, hatte
eine Sitzung des Staatsminisleriums stattgefunden und war der Siellvertreter
des Reichskanzlers, Graf Stolberg, selbst nach Baden-Baden gegangen, um
dem Kaiser die Angelegenheit zu unterbreiten.
15. October. (Deutsches Reich.) Die öffentliche Meinung
und die Presse beschäftigen sich seit dem Abschlusse des Schutzbünd-
nisses mit Oesterreich sehr lebhaft mit den Zoll- und Handelsver-
hältnissen bezüglich Oesterreichs. Als erste Frucht des neuen Freund-
schaftsbundes, welcher zwischen Oesterreich-Ungarn und Deutschland
abgeschlossen worden ist, wurde von beiden Seiten die Anbahnung
eines neuen Zoll= und Handelsvertrags verkündigk, kraft dessen
möglichst weitgehende Verkehrs= und Tarif-Erleichterungen zwischen
den beiden Reichen eintreten sollen. Nicht zufrieden damit, wird
von verschiedenen Seiten als das eigentliche Ziel der betreffenden
Uebereinkunft sogar ein Zollbund in Aussicht gestellt, zu welchem
der Beitritt auch noch den Staaten an der unteren Donau, nämlich
Serbien und Rumänien, vorbehalten werden soll, welches letztere
Ziel als eine Lieblingsidee des Grafen Andrassy zu betrachten ist.