Das deulsche Rrich und seint rinzelnen Glieder. (Oct. 25.) 259
Die Referenten beantragen: „Die Generalsynode wolle den evangelischen
Oberkirchenrath unter dankbarer Anerkennung seiner bisherigen Bemühungen
ersuchen, auch ferner bei der kgl. Staatsregierung nachdrücklichst darauf hin-
zuwirken, daß der evangelischen Volksschule und soweit moglich auch den
höheren Schulen der confessionelle Character gewahrt und daß deshalb die
Dhl der Simultanschulen auf das unabweisliche Bedürfniß beschränkt werde.“
ultusminister v. Puttkamer erklärt dabei im Wesentlichen: Die
debsun dah die Voltzerziehung ohne religiöse Grundlage nicht bestehen
könne, daß die Volksschule nicht blos Bildungs-, sondern in erster Linie
Erziehungsanstalt sein müsse, hat sich gerade in der letzten Zeit in immer
weiteren Kreisen Geltung verschafft. Noch sind die lebhaften deshalb ge-
führten Tebatten in aller Gedächtuiß, und selbst polilische Richtungen, die
in der Gesammtanschaunng der Mehrheit dieser Versammlung fern stehen,
haben in ihren öffentlichen Kundgebungen geflissentlich betont, daß sie die
religiösen Grundlagen der Volksschule nicht mehr anzutasten gesonnen seien.
Freilich über das Maß dessen, was zu fordern oder zu gestalten ist, gehen
die Meinungen sehr anseinander. Wer der Ansicht ist, daß dieser religiösen
Grundlage genüge geschehe bereits dadurch, daß man den Religionsunterricht
zu einem einzelnen #uterrichtsgegenstand berabsetzt, der begnügt sich, vie mir
scheint, mit elwas Wenigem. Wer dagegen der Meinung ist, daß die Re-
ligion, wie in höheren Schulen die classischen Sprachen, so in der Volks-
schule der Hauptunterrichtsstoff sei (Beifall), daß die religiöse Unterweisung
das Centrum und der Mittelpunct des ganzen Unterrichts sei (Beifall), der
kann sich bei dem zuerst ceirunzeichneten Standpuncte nicht begnügen. Da
haben Sie in nuce und in aller Kürze den Gegensatz zwischen der paritäti-
schen und der confessionellen Volksschule. Ich muß zunächst auf eine Be-
merkung des zweiten Referenten zurückkommen; er sagte, die Schule ist bis
1872 nicht nscchlirluich Staatsanstalt gewesen, sie ist es erst 1872 geworden.
Das ist ein historischer und gesetzlicher Irrthum; die preußische Volksschule
ist seit 100 Jahren Staatsanstalt und der Staat kann die Herrschaft und
das Eigenthum der Schule mit Niemand theilen. Er wird sich der schwester-
lichen Mitwirkung der Kirche — und er glaubt sie nicht entbehren zu
können — mit Freuden bedienen, aber die Entscheidung auf diesem Gebiet
regelt sich ausschließlich nach staatlichen Gesichtspuncten. Wenn dann der
zweite Neferent den mir sehr auffallenden Sah aussprach, daß in den letten
7 Jahren das Volksschulwesen in seinen Leistungen zurückgegangen sei, so ist
das ein ebenso großer Irrthum. Ich habe zu constatiren, daß ich die „all-
gemeinen Bestimmungen“ vom October 1872 in einer ganzen Reihe von
amtlichen Stellungen auszuführen berusen gewesen bin, und ich würde mein
Gewissen schwer belastet haben, wenn ich diese Ausführung übernommen
und mir dabei hätte sagen müssen, diese Bestimmungen sind geeiguet, den
religiösen Character der Volksschule zu zerstören. Ich kann diese Meinung
nicht theilen und ich werde bei dem festen Vorsaßz, der Kirche zu geben bei
der Leitung der Volksschule, was ihr gebührt, keine Veranlassung haben,
generell an den Grundlagen zu rütteln, welche die allgemeinen Bestimmungen
von 1872 aufstellen. Unter allen das Volksleben bewegenden Fragen steht
die Frage der Volksschule keiner andern an Wichtigkeit nach. Die politischen
Parleiungen, die Verwaltungsorganisation, die wirlhschaftlichen Fragen stehen
der Frage der Volksschule nach. Soll die Volksschule lossteuern in das
nferloe Meer einer blos humanitären allgemeinen Bildung, oder soll sie fest
gegründet bleiben auf den unverrückbaren Grundlagen, die aus dem Ewigen
stammen und ins Ewige zurückführen und damit gleichzeitig die Bürgschaften
geben für alles sittliche Leben und alle sittliche Freiheit: Ich bntschilte Pi ch
für das letztere, und nehmen Sie die Versicherung von mir entgegen, da
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