Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

Die Gesterreichisch--Ungarische Monarchie. (Mai 20 — Juni 2.) 329 
wollen wir erwähnen, daß das Abgeordnetenhaus sich mindestens das Recht 
zur Prüfung internalionaler Verträge gerettet hat. Dieß war ein Lichtblick 
in der Orient-Frage, wie dieselbe in und von dem Tarlament behandelt 
worden, materiell wurde damt freilich nicht viel durchgeseht. 
20. Mai. (Oesterreich: Böhmen.) Die Führer der Alt- 
cgechen, Rieger, Brauner, Sladkowsky rc. suchen der Bewegung für 
die Beschickung des Reichsraths einen Dämpfer aufzusetzen durch 
eine Reihe von Refolutionen: 
Die „Vertreter des czechischen Volkes“ haben sich in „Anerkennung 
des Ernstes der Sitnation- nochmals zu einer Berathung zusammengethan, 
und sind „nach Erwägung der gegenwärtigen Verhältnisse“ zu dem einmü- 
thigen Beschlusse gelangt — die Einmüthigkeit wurde kurzer Hand dadurch 
erzielt, daß sie die dissentirenden Elemente ausstießen — daß es „nicht an 
der Zeit“ sei, ihren früheren Beschluß, den Reichsrath nicht zu beichicken, zu 
desavouiren, daß sie (die Vertreter des czechischen Votts) allerdings damit 
einverstanden seien, wenn ihre Vertrauensmänner mit den Vertretern der 
deutschen Nationalität, sowie mit den Rathgebern der Krone auch weiterhin 
noch eine Verständigung anzubahnen sich bemühten, daß aber bei dieser Ver- 
ständigung „weder die historische Individualität und Antonomie des König- 
reichs Böhmen, noch irgend eine andere wesentliche Bed augung der natürlichen 
Existenz“ preisgegeben werden dürfe, und daß sie die feste Ueberzengung 
hegen, das böhmische Volk habe den MuthB zu eventuellen weiteren Kämpfen 
für „sein Recht" nicht verloren, und werde bei den nächsten Wahlen jede 
Stimme ablehnen, die seine Abgeordneten verpflichtet wissen wolle, „ohne die 
unerläßlichen Garantien für die Würde und die Prosperität der Nation“ 
einen Sit im Reichsrath einzunehmen. 
22. Mai. (Oesterreich.) Ein kaiserliches Patent löst das 
Abg.-Haus des Reichsraths auf und verordnet, daß allgemeine Neu- 
wahlen für dasselbe sogleich einzuleiten und durchzuführen seien. 
26. Mai. (Oesterreich: Vorarlberg.) Der Redacteur des 
elericalen „Vorarlberger Volksblattes“, Florencourt, kath. Welt- 
geistlicher, wird wegen seiner fortgesetzten regierungsfeindlichen Haltung. 
aus sämmtlichen österreichischen Kronländern ausgewiesen. Die Aus- 
weisungsmaßregel findet selbst in gemäßigten conservativen Kreisen 
die allgemeinste Billigung. Florencourt ist zuständig nach Kiel (Preußen). 
27. Mai. (Oesterreich: Triest.) Der neugewählte Podesta 
Dr. Bazzoni wird vom Kaiser nach einigem Bedenken bestätigt. 
Von der Regierung vorher nach Wien berufen, scheint er so aus- 
reichende Garantieen für die Richtung seiner Amtsführung gegeben 
zu haben, daß nicht zu besorgen ist, er werde in die Fußstapfen 
seines nicht wieder bestätigten Amtsvorgängers treten. 
  
  
2. Juni. (Oesterreich: Böhmen.) Die Czechen haben nun- 
mehr ihre Forderungen bekannt gegeben, beziehungsweise ihre Vor- 
schläge erstattet, auf Grund welcher sie mit den Deutschen in Böhmen
	        
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