334 Die Gelierreichisch Augorische Monarchie. (Juli 3—11.)
In den böhmischen Städtebezirken hat die Verfassungspartei, trop der
heftigen Anfechtungen seitens der Clericalen und Nationalen, keine Stimme
verloren; wie vor sechs Jahren wurden 16 czechische und 16 verfassungstreue
Abgeordnete gewählt. Das Hauptinteresse concentrirte sich um die Wahl in
der Prager Altstadt, wo der Jungeczeche Klaudy, der bekanntlich für den
bedingungslosen Eintritt der Czechen in den Reichsrath eintritt, gegen den
Allegechen Prachensky bedeutend in der Minderheit blieb und unterlag.
Ueberhaupt brachten es die Jungczechen zu keinen bedeutenden Erfolgen. Am
ungünstigsten stellen sich die Wahlresultale für die liberale Partei in Krain
und Galizien. In den Städtebezirken des ersteren Kronlandes hat die Ver-
fassungspartei alle drei bisher innegehabten Sitze verloren, und da auch in
den Landgemeinden lauter Slovenen durchgedrungen sind, so schickt jetzt Krain
10 Slovenen in den Reichsrath, während man aus Krain im vorigen Reichs-
rathe fünf liberale deutsche Vertreter zählte. Daß in Galizien die Polen
die Nuthenen fast ganz verdrängt haben, ist in so fern auch auf den Verlust-
conto der liberalen Partei zu setzen, als die Ruthenen im Abgeordnetenhaus
in vielen Fragen mit den liberalen Fractionen gestimmt haben. u
anderswo haben die Liberalen Verluste zu verzeichnen. Jedenfalls dürfte
das eine feststehen, was die liberalen Tagesblälter mit Bedauern und Be-
sorgniß übereinstimmend constatiren: daß auch in den Landen der österreichi-
schen Monarchie der „conservative Hauch“ weht und daß das neue Abgeord-
netenhaus eine wesentlich conservativere Physiognomie haben dürfte. Am
bedentsamsten aber ist die in den letzten Wochen zu Tage getretene Ausgleichs-
action des Grafen Taaffe, die Art und Weise, wie das noch höheren Inten-
tionen entsprechende Programm „Vollparlament mit einer conservativen für
die Occupationspolitik eintretenden Mittelpartei“ nach und nach Gestalt an-
nimmt. Diese Mittelpartei kann offenbar nur aus der Zersehung der Ver-
fassungs= und Rechtspartei herauswachsen, denn ihren Kern sollen ja. die
verfassungstreuen, jedoch den Angriffen der Fortschrittspartei gegenüber sich
als Kaste fühlenden Großgrundbesiyer, die „gemäßigten“ Clericalen und
die Krakauer Clique bilden. In Pest fühlt man sich beunruhigt über die
slavischaristokratischen Coalitionspläne des Grasen Taaffe, dessen Ansichten
über die „magyarische Präponderanz“ schon längst kein Geheimniß mehr sind.
Auch Andrassy dürfte der Wunsch einer gewissen Clique bekannt sein, einen
cisleithanischen confervativen Staatsmann an seine Stelle zu bringen.
3. Juli. (Oesterreich.) Erste Wahlen in der Curie des
Großgrundbesitzes, und zwar in Böhmen, Oberösterreich und Krain.
In Böhmen wird, wie von vornherein nicht zweifelhaft war, die
von den Verfassungstreuen und Feudalen aufgestellte Compromißliste gewählt,
wonach die Verfassungstreuen 13, die feudalen Czechen 10 Mandate Fpalten
In Oberösterreich ist das von den Conservativen angestrebte Compromiß nicht
zu Stande gekommen, in Pelge dessen zwei Liberale und ein conservatives
Mitglied in den Reichsrath gewählt werden solllen. Die Liberalen erklärten
das Compromiß für unannehmbar. Der Erfolg zeigt sich ihnen günstig; ihre
drei Candidaten werden gewählt. Auch in Krain war kein Compromiß zu
Stande gekommen; die Liberalen behielten ihre zwei Sitze.
11. Juli. (Oesterreich.) Das Ministerium Stremayr ver-
langt vom Kaiser seine Entlassung. Der Schritt ist offenbar eine
Folge des bisherigen Resultats der Reichsrathswahlen. Das Mi-
nisterium war übrigens von Anfang an von der öffentlichen Mei-
nung nur als ein Uebergangsministerium angesehen worden.