356 Die Gesterreichisch-Augerische Monarchie. (Nov. 17.)
einer Audienz ein Memorandum, in welchem die Wünsche refp. For-
derungen der Czechen präcisirt werden.
Das Memorandum behandelt vor allem die Frage, wie die staats-
grundgeselich ohnehin ausgesprochene nationale Gleichberechtigung in Boh-
men, Mähren und Schlesien thatsächlich vermigklicht und durch Maßregeln
und administrative Verfügungen einerseits in der Verwaltung und Justiz,
andrerseits in Sachen des Unterrichts und der Schule durchgeführt werden
solle. Das Memorandum verlangt in ersterer Beziehung, daß der alte Grund=
satz respectirt und alle Eingaben bei den politischen wie den Gerichtsbehörden
in derselben Sprache erledigt werden, in welcher sie eingebracht worden; daß
die Protokolle und alle daraus erfolgenden Verhandlungen mit böhmischen
Parteien böhmisch, mit deutschen deutsch gepflogen werden sollen. Deßgleichen
wird der Wunsch ausgesprochen, daß in böhmischen Kreisen die behördlichen
Erlasse und Verlautbarungen in böhmischer, in deutschen Gegenden in deut-
scher Sprache, sonst aber in beiden Mundarten stattfinden mögen. Betreffs
des Schulwesens wird verlangt, daß in rein böhmischen Bezirken eine An-
zahl neuer Mittelschulen mit böhmischer Unterrichtssprache in derselben Weise
auf Staatskosten errichtet und unterhalten werden solle, wie dieß gegenwärtig
in den deutschen Bezirken in umfassender Weise mit den dentschen Schulen ge-
schieht, während böhmische Bezirke und böhmische Städte bis jeht vielfach sich
gezwungen sehen, derlei Unterrichtsanstalten auf eigene Gemeinde= oder Privat-
kosten zu begründen und zu unlerhalten. Daß in gemischten Bezirken Parallel=
classen auch für die böhmischen Schüler errichtet werden mögen, wird als
selbstverständlicher Wunsch angedentet. Dagegen wird der Cjechisirung der
Prager Universität nicht erwähnt, und lediglich nebenbei die Bitte gestellt,
daß einige namentlich angeführte Lehrgegenstände künftighin mit böhmischen
Docenten besetzt und im Ganzen das bisherige System, mit Vorliebe
Ansländer an die Prager Universität zu berufen, verlassen werden möge,
insolange geeignete einheimische Kräfte in genügender Zahl vorhanden sind.
Die Orgaue der föderalistischen Partei geben sich große Mühe, diese
Forderungen der Czechen als die denkbar bescheidensten und unscheinbarsten
zu schildern. Die deutsche Presse weist dagegen überzeugend nach, daß dieß
nur so scheine, daß aber in Wahrheit das Memorandum nichts geringeres
verlange, als daß künftig alle Beamten, selbst in den rein deutschen Bezirken,
beider Sprachen mächtig sein müßten und daß es daher auf nichts anderes
ausgehe, als die deutschen Beamten aus Böhmen ganz zu verdrängen und
so den Czechen in Böhmen nicht blos Gleichberechtigung, sondern entschieden
das Uebergewicht und die Herrschaft zu verschaffen.
17. November. (Oesterreich.) Abg.-Haus: Wehrgesetz-Aus-
schuß: nimmt unter Ablehnung aller die Regierungsvorlage ab-
ändernden Anträge die Vorlage mit Mehrheit unverändert an und
beschließt einstimmig lediglich, die Regierung mittelst einer Resolution
zu den möglichsten Ersparungen in jeder Richtung aufzufordern.
Mit diesem Votum ist jedoch noch keineswegs das Schickfal des Wehrge-
selzes im Sinne der Regierung entschieden, indem bis jetzt nur die Rechte des
Abgeordnetenhauses für die unbedingte Annahme der Regierungs-Vorlage
gewonnen ist, zur nothwendigen Zweidrittel-Mehrheit im Plenum sonach
noch circa 50 Stimmen fehlen. Die Linke aber, von der man diese Stim-
men zu gewinnen versuchen muß, ist bbeilwoeise für eine bloß 1-oder Zjährige
und nur zum Theil für eine 10jährige Verlängerung des Wehrgesetzes mit
dem Kriegssiande von 800,000 Mann, jedoch bei gleichzeitiger gesetzlicher