Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

Eroßbrillannien. (Nov. 9—14.) 385 
sprochenen Reformen in Kleinasien. Die gesammte Presse billigt 
mit wenigen Ausnahmen den Entschuß der Regierung, diese Re- 
formen nöthigenfalls zu erzwingen. (s. Pforte.) 
9. November. (Afghanistan.) Jakub Chan, gegen den sich 
der Verdacht bezüglich des Gesandtenmordes in Kabul verstärkt hat, 
ist jetzt förmlicher Gefangener der Engländer. 
11. November. Lord Beaconsfield spricht sich beim Lord- 
mayorsbankett in London ebenso offen als entschieden für die Auf- 
rechthaltung des Friedens in Europa aus und über das Gewicht 
des Einflusses, das dabei Großbriktannien zufällt. 
Wenn ich unsere auswärtigen Beziehungen eine allgemeine 
Nevue passiren lassen Kute, so würde ich sagen, daß, tropdem Europa mit 
Millionen Bewaffneter bedeckt ist, wir nicht allein die Hoffnung, sondern 
auch den Glauben hegen, daß der Friede erhalten bleibt. Dies ist unser 
Glaube, weil wir die Ueberzeugung hegen, daß der Friede im Interesse aller 
großen Mächte liegt. Ich will dieses Bedürfuiß nichk auf einen so niedrigen 
Grund basiren, nämlich auf die Nothwendigkeit, welche wir Alle empfinden, 
unsere Kräfte zu schonen, denn ich weiß, daß die Mächte Europas sich von 
Gründen eines weit höheren Chawarters leilen lassen. engenemmen, der 
Friede bleibt erhalten, so nehme ich an, daß keine Macht vor der Verant- 
wortlichkeit für die Erhaltung des Friedens zurucsschrecken wird. Wenn 
zum Beispiele ein Land, das ausgedehnteste und reichste der Welt, in ver- 
kehrter Interpretation jeiner infularen geographischen Lage ein taubes Ohr 
den Schicksalen und Gefühlen des continentalen Europa hinhält, dann glaube 
ich, daß der Friede gefährdet ist. Solcher Handlungsweife schreibe ich das 
Entstehen vieler verhängnißvoller Kriege zu. Allein wenn die M lacht 
und der Rath Englands in den Verathungen Europas gesichert 
ist, dann hege ich die Ueberzeugung, daß der Friede erhalten 
bleibt, und zwar für lange Zeit erhallen b eibt. Ich will nicht sagen, daß 
unter diesen Bedingungen der Friede absolut gewiß ist, allein dessen bin ich 
gewiß, daß, wenn England von seinem Posten in dem Rathe 
Enropas nicht desertirt, ein Krieg unmöglich ist. Ich spreche so 
offen, weil ich meine Landsleute dor den Sophismen Jener bewahren will, 
die behaupten und lehren, England könnte sein Weltreich nur erhalten, 
wenn es seine Freiheit opfert. Ich spreche so offen, weil ich weiß, daß ich 
zu Männern spreche, welche sich nicht des Neiches schämen, das ihre Bäter 
gegründet und aufgebaut haben. Als einer der größten Römer gefragt 
wurde, was seine Politik sei, antwortete er: „Imperium et libertas.“ Das 
ist ein großes Vrogramn. Es würde auch kein britisches Ministerium 
schänden, und es ist das Programm, auf Grund dessen das gegenwär- 
tige Cabinet stets handeln wird.“ 
14. November. (Afghanistan.) General Roberts erläßt eine 
Proclamation, welche allen jenen Amnestie zusichert, welche den Eng- 
ländern bei ihrem Marsch auf Kabul Widerstand leisteten, wenn sie 
die Wafsfen ausliefern. Keine Amnestie jedoch erhalten die Theil- 
nehmer an dem Angriff auf das englische Gesandtschaftsgebäude in 
Kabul; dieselben sollen als Rebellen behandelt werden. 
Schulthess, Curop. Geschichtslalender. XX. W. 25
	        
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