Das deuische Reich und seine einselnen Glieder. (Jan. 10-15.) 39
weil ich es mir von tier ersten Slunde meiner Aut-verwaltung an zur
Mlicht gemacht habe, die Verantwortung, die mir obliegt, weit es über-
haupt aenschemöglidh ist, nicht bloß formell sein zu lassen, sonbern materiell.
Darum prüfe ich alles, was mir von den verehrten Herren vorgetragen wird,
und nehme an, 88. ich nach gewissenhafter Prüfung für Recht halte, trage
also für ihren Ralh wiederum die Verantwortung, also auch für das, was
ich augeblich nicht gewollt habe. Der Vorwurf ist zu schwer und gegen mich
in zu exorbitanter Weise erhoben worden mit dem Zujahs ich zerflöre die
Religion, ich ruinire das Christenthum, als daß ich die Gelegenheit nicht er-
greisen müßte, um rund über diese . Dinge zu sprechen, nicht mit Redensarten,
sondern mit Thatsachen. Schon die Ausbeuntung des Vorwurfs muß mit
Mißtrauen gegen seinen Werlh und Ursprung erfüllen. Man hat die Re-
organisation des preußischen Volksschulwesens innerhalb der letzen sehs Jahre
mit den schweren gesellschaftlichen Schäden in Verbindung gebracht, die na-
mentlich im vergangenen Jahre in so erschreckender und trauriger Weise
zu Tage gelrelen sind, und mit der Sozialdemokratie, ja ein angesehenes
Blatt ist so weit gegangen, in nicht gar verblümter Weise meine Amtsver-
waltung für die That des unseligen Hödel verantworklich zu machen, wäh-
rend doch diejenigen Perfonen, welche jeue Strömng des sitllichen Bewußt-
seins in der Nation repräsentiren, sich in einem Lebensaller befinden, in wel-
chem die gegenwärtige Unterrichtsverwaltung keinen Einfluß auf sie geübt
hat! Denn das Neichsgeset fordert 25 Jahre für den Mähler, und der
jüngste von denen die im vorigen Jahre die Ziffer der sozialdemocratischen
Wähler auf 50,000 (0) zu erhöhen beigetragen haben, ist vor länger als
10 Jahren aus der Volksschule ausgeschieden, und meine Verwaltung dauert
in wenigen Tagen 7 Jahre. Auch befinden sich unter den Mählern zum
Neichstag nur äußerst wenige Lehrer, die unter meiner Verwaltung in einem
Seminar ausgebildet worden sind. Da man in der Regel wit 17 Jahren
in ein Seminar eintritt und die neue Einrichtung der Seminarien frühestens
im Jahr 1873 in Kraft treten konnte, so kann die weitaus größte Zahl der
unter meiner Verwaltung ausgrbildeten Seminaristen noch gar nicht zum
Reichskag gewählt haben, allenfalls die kleine Minderzahl. die im Alter von
19 oder 20 Jahren eintrat. Was den Hödel selbst betrifft, so fand er seinen
Unterricht zuerst in Leipzig und daun in einer Erziehungsanstalt zu Zeiß,
in welcher die Bestimmungen der Regulative streug eingehalten wurden.
(Hört! links.) Als ich gehört hatte, daß dieser Mensch gegenüber dem
Stadtgerichtspräsidenten sich gerühmt habe, 100 Lieder auswendig zu können,
habe ich den Geheimrath Schneider zu dem Präsidenten geschickt, und er ha#
Gelegenheit gehabt, sich über die Wahrheit oder Unwahrheit dieser Behaup=
tung zu vergewißern. Er hat gefunden, daß das religiöse Wissen Hödels
in Bezug auf Gatechismus, Sprüche und Lieder sehr beträchtlich war. (Be-
wegung.) Wo bleibt da der nichtsnubige Vorwurf, daß ich für jolche Tha-
ten verantwortlich sei? Aber es wird ja nach der Zulunit gerichtet. In
einer unserer gelesensten conservativen Zeitungen fand ich neulich den Sah:
daß die Schule in ersler Linie Erziehungs= nud in zweiler Unterrichtsanstalt
sein müsse, und ich errinnerte mich, daß der Abg. Perger, der in derartigen
Fragen das Wort für die Centrumspartei zu führen pflegt, im Jahre 1876
geäußert hat; daß bis 1872 diese Auffassung in Preußen maßgebend und
die sittlich- religiöse Ergiehung erste Aufgabe der Schule gewesen sei. Der
Abg. Perger fragle damals: Was ist nun aus dieser wichtigsten Aufgabe i in
der Aera Falk eworden? Es waren aber damals die e rallgemeinen 2 estimm=
ungen" seit kaum drei Jahren in Kraft getreten. Der allgemeine Gedanke
in beiden Citaten ist der: daß zur Zeit der Regulalive alles besser war;
da waren die Lehrer viel besser und wurden ganz andere Früchte erziell.