Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

Franbreich. (Ende April — Mai 26.) 407 
ber Colonisirung einen durchgreisenden Impuls zu geben — das soll die 
Folge der ins Auge gefaßten großen Arbeiten sein. Ich war so glücklich, zu 
ihrer Bewilligung beizutragen; unermüdlich will ich jegt ihre rasche Aus- 
führung betreiben. Wichtige Neformen werden ferner in einer hahen Zu- 
kunft auf das nämliche Ziel hinwirken. Das System der Domaengiuer 
und die Art ihrer Concessionirung, das Forst- und Wasserwesen, die Credit- 
institute, das Steuersystem, haben schon längst meine Aufmerksamkeit auf sich 
gezogen. Weitere Ausführungen wären hier nicht am Platze; mein Gedanke 
läßt sich lurz, wie folgt, zusammenfassen: Die Europäer, die Frangosen, 
welche dies schöne Land herbeilockt, möchten in ihm nebst den schützenden 
Bürgschaften eines bürgerlichen und liberalen Regime's, neben der frucht- 
baren Bewegung der Arbeit und der Geschäfte ein mit jedem Tag ähnlicheres 
Bild des Mutterlandes finden. Was die Eingebornen betrisst, jo können 
sie auf die billigen und wohlwollenden Gesinnungen einer Regierung zählen, 
welche sich nicht nur ihrer Stärke und ihrer Rechte, sondern auch ihrer 
Pflichten gegen die Civilisation bewußt ist. Namentlich durch reichlich gespen- 
deten Unterricht, durch das Schaufpiel einer guten Justiz, einer weisen Ver- 
waltung und einer allenthalben herrschenden Ordnung soll in den Stämmen 
der Sinn für unsere Institutionen gefördert werden. Eine der wichtigsten 
sehlt noch dem arabischen Volke. Die Gründung des individuellen Eigen- 
thums und als nothwendiges Corellat die eines Civilstands, der übrigens 
alle Bekenntnisse respectiren joll, wird von mir unablässig angestrebt werden. 
Jede geiellschaftl iche Meiorm häugt davon ab. Die Schwierigkeiten meiner 
Miision habe ich ohne Selbsttäuschung ermessen. Der eifrige und sichere 
Beistand der Regierung und der beiden Kammern werden mir behilflich sein, 
sie zu überwinden.“ 
— April. Der Kampf um Freihandel und Schutzzollsystem 
beschäftigt nachgerade die öffentliche Meinung auch in Frankreich 
sehr lebhaft und die Handelskammern sprechen sich in diesem oder 
jenem Sinne aus. Im Ganzen ist der Norden Frankreichs pro- 
tectionistisch, der Süden freihändlerisch gesinnt; die Regierung neigt 
sich aber entschieden dem Freihandel zu, will wenigstens entschieden 
an dem System der Handelsverträge fest halten. 
8. Mai. Der Präsident begnadigt wieder 440 Communards. 
17. Mai. Der Präsident begnadigt wieder 400 Communards. 
20. Mai. Kammer: Der Unterrichtsminister Jules Ferry 
bringt einen Gesetzentwurf betr. die für den Primär-Unterricht er- 
forderlichen Befähigungsnachweise ein. Der Entwurf schließt die 
Unterdrückung der Obedienz-Briefe, welche den Congregationisten das 
Recht zum Lehren ertheilen, in sich. 
21. Mai. Kammer: erledigt die erste Berathung eines neuen 
Gesetzes über die Organisation des Generalstabs, das wesentlich nach 
deutschem Muster bearbeitet ist. 
24. Mai. Der Präsident begnadigt wieder 369 Communards. 
26. Mai. Senat: Um den Staatsrath, der meist noch aus 
reaclionären Elementen zusammengeseht ist, mit den bestehenden In-
	        
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