408 Krankreich. (Mai 27 — Juni 1.)
stitutionen in Einklang zu bringen und den Forderungen der öffent-
lichen Meinung Genüge zu thun, hat die Regierung der Kammer
ein Gesetz bekr. Reorganisirung desselben vorgelegt. Der Senat ge-
nehmigt dasselbe.
In der Debatte erläntert der Justizminister Le Royer die Nolle des
Staaksraths, welcher, wie schon sein Name sage, ein integrirender Bestand-
theil der Regierung sei, also auch in seinem Geiste mit dieser überein-
stimmen müsse. Als die Ernennung der Staatsräthe bei der Nationalver=
sammlung stand, hielt es die Mehlheit für ihr selbstverständliches Recht,
nur Gesinnungsgenossen zu ernennen. Die Regierung werde die Wagschalen
gleichhalten, die inneren Ueberzeugungen eines jeden respectiren und die aus-
Megeichneten Männer, die sich im Dienste von keinem Vorurtheil beherrschen
assen und keine systematische Opposition machen, im Amte behalten. Diese
Auslassungen finden den Beifall des Senats.
27. Mai. Kammer: lehnt mit großer Majorität die Frei-
lassung des in Bordeaux gesetzwidrig zum Deputirten gewählten
alten Revolutionärs Blangqui ab.
Der begabtesie Führer der äußersten Linken, Clemenceau, slellt den
Antrag. Er nimmt dreimal das Wort, um in jeiner gewohnten scharfen
und concisen Manier die Sache seines Schützlings zu vertheidigen. Aber
der Führer der Radicalen findet im Justizminister Le Royer seinen Mann,
indem dieser Clemenceau's Antrag kurz und bündig zurückweist und mit
rückhaltsloser Offenheit ich für für bie Nichtwählbarkeit Blanqui's und die
Zurückweisung seiner Wah gegen die Dringlichkeit, wie überhaupt
gegen die Nothwendigkeit l .l uiheen Entlassung des legendären Ge-
fangenen ausspricht; gleichzeitig läßt Le Royer deutlich durchblicken, daß
Blanqui höchsteus auf eine Begnadigung ohne Amnestirung rechnen könne.
Lehiere Andeutung scheint Clemenceau derarlig zu erbiktern, daß der sonst
sich so fehr beherrschende Mann in seiner Replik an den Justizminister diesem
briesk erwiedert: er habe sich in eine Discussion gar nicht einzumischen, welche
nur die Kammer allein angehe und deren innere Angelegenheiten betreffe,
weßhalb das Eingreifen des Ministers ein unstakthafter Versuch einer Pression
auf die Entschlie zungen der Kammer sei. Clemenceau schadet indeß durch
diese leidenschaftliche Heftigkeit nur sich selbst, und während noch zu Anfang
der Sitzung vielfach eine Annahme seines Antrags für möglich gehalten
wurde, ist nun das Endresultat die Ablehnung desselben mit 271 gegen 171
Stimmen. Damit ist auch die Entscheidung der Kammer über die Wahl
Blanqui's präjudicirt.
28. Mai. Ein von Lesseps, dem Erbauer des Suezcanals, be-
triebener und geleiteter internationaler Congreß für die Durchstechung
des Isthmus von Panama enischeidet sich mit 74 gegen 8 Stimmen
für die Durchstechung zwischen der Limon-Bucht (Colon) und Pa-
nama gemäß dem Plaue von Wyse, Reclus und General Türr.
Die Länge dieses Canals wird auf 73 Kilometer berechnet und die
Kosten werden auf mehr als eine Milliarde Franken veranschlagt.
1. Juni. Der bonapartistische Prätendent, der kaiserliche Prinz
Louis Napoleon, wird in Süd-Afrika von den Zulus getödtet. Der