Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

450 Dir Schweiz. (März 21 — April 5.) 
halten; körperliche Strafen sind untersagt“") ist aufgehoben. An seine Stelle 
lritt der frühere Art. 54 der Mundesverfassung von 1848, lautend: 1. Wegen 
polilischer Vergehen darf kein Todesurtheil gefällt werden.““ Dieser Re- 
visionsartikel ist der Volksabstimmung zu unterbreilen. Der Bundesrath ist 
mit der Vollziehung dieses lehzteren Beschlusses beauftragt.“ 
21. März. Vundesversammlung: Wahl eines Mitgliedes des 
Bundesraths und eines Mitgliedes des Bundesgerichts. In beiden 
Wahlen siegen die vereinigten Liberalen und Conservativen und 
unterliegen die Radicalen. 
Bezüglich der Wahl in den Bundesrath hatten sich die Liberalen und 
die Conservativen für den Obersten Hertenstein von Winterthur, gegenwärtig 
Mitglied des Ständeraths, früher dem Nationalrath angehörend, geeinigt, 
welcher denn auch gleich im ersten Wahlgang mit 92 Stimmen gewählt 
wird, während der Candidat der Nadicalen, Nationalrath Frei von Basel, 
nur 63 erhält. Und ebenso geht der von den Liberalen und den Conservativen 
für die Bundesrichter-Wahl gemeinsam auigestellte Candidat, der ultramon- 
tane Luzerner Ständerath Kopp, gleich im ersten Wahlgang mit 99 Stim- 
men aus der Wahlurne hervor, während die Gegencandidaten Forrer und 
Hasner es nur auf 42 und 22 Stimmen bringen. Die Nadicalen sind in 
Folge dieses Wahlresultates um so niedergeschlagener, als dasfelbe ihnen erst 
jebt das Zusammenschmelzen ihrer Partei zur richtigen Erkenntniß gebracht 
hat. Auch bei der Wahl eines Bundesgerichtsvicepräsidenten wird mit 82 
Stimmen Bundesrichter Weber aus dem Aargau gewählt; der Gegencandidat 
Bundesrichter Niggeler von Bern erhält nur 63 Stimmen. 
27. März. Nationalrath: spricht sich mit 65 gegen 62 Stim- 
men gegen die Wiedereinführung der Todesstrafe aus und lehnt so- 
mit den Beschluß des Ständeraths seinerseits ab. 
28. Märg. Ständerath: hält auch in der zweiten Berathung 
an seinem Votum für Wiedereinführung der Todesstrafe mit 27 
gegen 13 Stimmen fest. 
Doch wird dem Beschlusse in der Hoffuung, damit die Zustimmung 
des Nastonalrathe zu gewinnen, noch die Bestimmung beigefügt: daß das 
Verbot der körperlichen Züchtigeng fortbestehen solle. *8 eine Rück- 
weisung der Frage an den Bundesralh entscheidet sich die Mehrheit haupt- 
sächlich aus dem Grunde, weil mit einer solchen Verzögerung die ganze 
Sache zu Fall gebracht sein würde, indem die für Wiedereinführung der 
Todesstrafe vor Neujahr eingegangenen Unterschriften, welche geseymäßig 
nur für 6 Monate gelten, mit Ende Juni ihren Werth verloren haben 
würden. Da die Räthe schon am folgenden Tage auseinander zu gehen 
wünschen, soll der Nationalrath seinerseits die zweite Berathung der 
Wiedereinführung. der Todesstrafe noch in einer Abendsitzung vornehmen. 
Nationalrath: tritt nunmehr mit 76 gegen 49 Stimmen dem 
Ständerathsbeschlusse bei, hauptsächlich weil die Waadtländer ihre 
Meinung über Nacht geändert haben. 
5. April. Zusammentritt der internationalen Conferenz zur 
Prüfung des Finanzausweises der Gotthardbahngesellschaft. Der- 
selbe wird für genügend erachtet und die bisherige Gesellschaft wird
	        
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