Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

Helgien. (Juli 1 — Ang. 1.) 467 
1. Juli. Der König ratificirt das neue, von beiden Kam- 
mern genehmigte Unterrichtsgesetz. 
4. Juli. II. Kammer: genehmigt das Gesetz gegen Wahl- 
fälschungen. 
1. August. Die belgischen Bischöfe treten in Mecheln zu- 
sammen und fassen eine Reihe von Beschlüssen über die Haltung, 
welche die Pfarrgeistlichkeit dem neuen Schulgesetz und dessen Aus- 
führung gegenüber anzunehmen hat. Dieselben bilden eine offene 
Kriegserklärung der katholischen Kirche an den Staat und dessen 
ganzes Unterrichtswesen: 
„Allen Lehrern und Zöglingen der Normalschulen soll die Absolution 
verweigert werden. Der in den weltlichen Schulen ertheilte Religionsunter= 
richt ist als schismatisch anzusehen: alle Lehrer, die ihn ertheilen, verfallen 
der Excommunication. Allen Elementarschullehrern, auch denen, die sich des 
Religionsunterrichts enthalten, ist die Absolution zu verweigern. Alle Kin- 
der, welche die weltlichen Elementarschulen besuchen, können, da sie ohne 
Unterscheidung ghhandelt! haben, provisorisch zur ersten Communion zuge- 
assen werden. Diese Beschlüsse sind den Decanen und Pfarrern und von 
diesen in der nächsten Predigt den Gläubigen mitzutheilen.“" Ein Katholik 
darf auch nicht das Amt eines Schulinspectors aunehmen, weil er als solcher 
ch ja zu einer ifreiwwilligen und directen Mitwirkung an dem verdammten 
Schulgesetz" verpf flichte. Das Kapitel über den Schulbesuch beginnt mit der 
Grundregel: „Die öffentlichen Studien, in denen ein Lehrsystem herrscht, das 
sich von der leitenden Hoheit der Kirche und des katholischen Glaubens los- 
sagt, sind an sich selbst schlecht und schädlich, weil sie durch sich selbst den 
Schülern Gelegenheit bieten, Glauben und Sittlichkeit einzubüßen. Folglich 
ist es nicht gestattet, sie zu besuchen, sie zu begründen, sie zu leiten.“ In- 
dessen „können mitunter, wenn auch selten“, Umstände eintreien, durch welche 
katholische Eltern, die ihre Kinder solchen öffentlichen Schulen anvertrauen, 
entschuldigt sind; doch müssen die Gründe sehr triftig sein, z. B. wenn es 
keine latholische Schule im Orte gibt, oder wenn eine solche „nicht ohne 
einen weltlichen Nachtheil benuyt" werden kann. Ueber etwaige Zweifel 
entscheiden die Bischöfe. Durchaus verboten ist der Besuch der staatlichen 
Normalschulen, in denen junge Leute zu Lehrern für die öffentlichen Schulen 
ausgebildet werden. Das Kapitel, welches den Eltern gewidmet ist, mahnt 
diese, es mit den Entschuldigungsgründen nicht gar so leicht zu nehmen und 
ein wachsames Auge auf ihre den öffentlichen Schulen anvertrauten Kinder 
zu haben, sie zu fragen, was dort mit ihnen vorgenommen wird und welche 
Bücher sie beuutzen müssen, sie vor jedem Umgang und Verkehr mit sitten- 
verderbten oder ihren Glauben gefährdenden (keherischen) Mitschülern zu be- 
hüten und nie zu vergessen, daß sie die strenge Pflicht haben, in anderer 
Weise für den katholischen Unterricht ihrer Kinder zu sorgen. Das Kapitel 
von den Pfarrern lautet; „Die Pastoren müssen ihre ganze Macht anwenden 
und alle ihre Kraft aufbieien, um die ihnen anvertraute Heerde vor dem 
Schmuyh der officiellen Schule zu bewahren. Aber dazu ist es durchaus un- 
erläßlich, dast die Katholiken überall ihre eigenen, Schilen haben zmüssen, di die 
den öffentlichen Schulen in nichts nachstehen. Der Pfarrer muß daher alle 
seine Sorge darauf ri ichten, katholische Schulen da, wo sie noch fehlen, zu 
gründen oder die bestehenden zu vergrößern und zu vervollkommnen, damit 
sie den officiellen Schilen in Lehreinrichtung und Schulzucht gleichstehen.= 
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