484 Ruhland. (April 5—17.)
5. April. Mißlungenes Attentat auf den Generalgouverneur
von Kiew, Grafen Czarkkoff.
14. April. Attentat auf den Kaiser während seines Morgen-
spaziergangs in St. Petersburg. Der Kaiser bleibt von drei Re-
volverschüssen unverletzt. Der Thäter, Solowieff, wird ergriffen.
Derselbe ist 34 Jahre alt, hat den Cursus in einem der St. Peters-
burger Gymnasien beendigt und war darauf als Dorfschullehrer in den
Torope#'schen Kreis, Gouvernement Pskow, gegangen. In der lepten Zeit
hatte er wieder im Hause seiner Eltern gewohnt und sich am 12. Apri
von ihnen verabschiedet, angeblich, um nach Moskau zu reisen.
15. April. Bei Beantwortung der Ansprache des Marschalls
des Petersburger Adels äußert sich der Kaiser dahin, daß die Kühn-
heit und Vermessenheit der jüngsten Attentate ihm die Pflicht auf-
erlege, sehr gegen seine Wünsche außerordentliche Maßregeln zu er-
greifen, und zwar nicht etwa feinetwegen, sondern im Interesse Aller,
im Interesse der Gesellschaft, im Interesse Rußlands.
Unter dem Vorsitze des Staatssecretärs Walujeff wird eine
besondere Commission zum Behufe der Berathung außerordentlicher
Maßregeln, welche durch die Reihe verbrecherischer Attentate hervor-
gerufen seien, gebildet.
I7. April. Auf den Vorschlag der außerordentlichen Com-
mission vom 15. ds. erläßt der Kaiser folgenden Ukas an den diri-
girenden Senat:
„Die Ereignisse der lehten Zeit weisen mit Augenscheinlichtit darauf
hin, daß in Rußland eine, wenn auch nicht zahlreiche, so doch in ihren ver-
brecherischen (erirrungen überaus hartnä r. Bande übelwollender Menschen
vorhanden ist, welche bestrebt ist, alle Grundlagen des stlichen und gesell-
schaftlichen Wesens zu unlergraben. Indem sie 6cth nicht auf Verbreitung
anfrührerischer Lehren durch die Presse in heimlich versandten Proclama=
tionen, welche auf den Umsturz der Lehren der Netilt on, der Familienbande
und des Eigenthums abzielen, beschränkten, verübten diese Bösewichte me "
mals Mordversuche au höheren Beamten des Reichs und anderen mit
gierungsgewalt borleldeten. Personen; endlich wurde die Reihe der Reoelthaten
durch das verbrecherische Attenlat auf den Kaiser geschlossen. Solche Misse-
thaten und die Abwesenheit jeder Rene bei den bis jepyt entlarvten Uebel-
thätern wandten unfjere Aufmerksamkeit auf die Nothwendigkeit, provisorische
Ausnahmemaßregeln zu ergreifen, sowohl um die exemplarische Bestrafung
der Schuldigen zu erzielen, wie um den mit der Regierungsgewalt beklei-
deten Personen besondere zur Aufrechterhaltung der Algemeinen Ordnung
nothwendige Rechte zu überlassen. Zu diesem Zwecke haben wir Folgendes
als zweckmäßig erkannt: 1) Provisorische Generalgouverneure in Petersburg,
Charkow und Odessa mit besonderen außerordentlichen, in den folgenden
Punkten bezeichneten Rechten zu ernennen und dieselben Rechte provisorisch
den Generalgonverneuren in Moskau, Kiew und Warschau zu geben: 2) den
Generalgonverneuren in Petersburg, Charkow und Odessa werden die gleich-
namigen Gouvernements unterstellt. Unabhängig davon werden diesen Ge-
neralgonverneuren sowie denjenigen von Kiew und Moskau auch einige später