Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

50 Das beuische Reich und seine einzelnen Elieder. (Jan. 27.) 
Erhöhung der direkten Steuern ist im Hinblick auf die bereits bestehende 
Mehrbelastung des Grundbesitzes durch dieselben sowohl jür staatliche wie 
cotumunale Zwecke nicht ausführbar. Zu diesem Zwecke empfiehlt sich: eine 
wesentliche Erhöhnug der Tabakbesteuerung; eine Besteuerung des Bieres bis 
auf Höhe der in Bayern giltigen Säße; die Cinfüchrung * Zoles auf 
Petroleum, sowie die Erhöhung der auf Genußmittel, als Wein, Kaffee, 
Thee, Gewürze, Südfrüchte und dergl. gelegten Zölle. Ist aus finanzpoli- 
lischen Gründen bei der in Aussicht genommenen Revision des jeht geltenden 
Jolltarifes eine Belastung bisher gollfrei eingehender Artilel bnwenneidlh, 
und müssen für dieselben deshalb niedrige Finanzzölle (Eingangsgebühren) 
eingeführt werden, so erwartet der deutsche Landwirthschafteralh, daß dabei 
die Interessen der Landwirthschaft in derjelben Weise Berücksichtigung finden, 
wie die Interessen der Industrie. Ter Abschluß von Handelsverträgen auf 
Grundlage eines die vorstehenden Gesichtspunkte berücksichtigenden antonomen 
Tarifs und unter Wahrung des Princips der meistbegünstigten Nation liegt 
im Interesse der Landwirthschaft. Die hierüber stattfindenden Verhandlungen 
sind mit dazu zu beuuten, um sowohl den deutschen Export, einschließlich 
desjenigen der landwirthschaftlichen Produlte, als auch die Beseitigung aller 
unsere Ausfuhr schdigenden direkten und indirekten Exportprämien, namenk- 
lich für Spiritus und Zucker, sowie die den deutschen Marlt schädigenden 
Eisenbahn-Differentialtarife und Refaklien in allen mit uns Handeloverträge 
abschließenden Ländern in wirksamster Weise sicherzustellen. Gleichzeitig und 
in enger Verbindung mit dem aulonomen Zolltarif ist gefetlich zu bestim- 
men, daß bei der Beförderung von ausländischen Produklen auf inländischen 
Vahnen —Zeiten der Noth ausgenommen — jede Bevorzugung des aus- 
ländischen Frachlgutes gegen das gleichartige inländische durch Ausnahme- 
tarife (Differentialfrachtsähe) oder Refaltien verboten werde.“ 
Die Refolution ist für die augenblickliche Stimmung fehr bezeich- 
neud. Die Agrarier haben im Landwirthschaftsrath das Uebergewicht vorerst 
noch nicht. Für Getreidezölle find erst noch wenige Stimmen entschieden. 
Der erste Theil der Resolution ist daher vollständig klar und unumwunden, 
die Fassung des zweiten Theils dagegen so vorsichtig, daß sie an sich eine 
Auslegung in schutzzöllnerischem wie in greihändlerifchem S Sinn wohl mläßt. 
Der leitende Gedanke scheint zu sein, daß der Landwirthschaftsrath in der 
Zollfrage für die Stunde der Entscheidung freie Hand behatten müsse. Ein 
Antrag Bernberg, welcher einfach eine Erklärung zu # des Programms 
des Reichskanzlers enthält, wird daher mit 46 gegen bloß 11 Stimmen ab- 
gelehnt, aber ebenso ruch ein Antrag Pogge gegen Schutzzölle mit 24 gegen 
20 und ein Antrag des Prof. Stengel (Heidelberg) gegen Getreidezölle mit 
37 gegen 12 Stimmen. Die ste eigende schubzöllnerische Strömung hat offen- 
bar auch im Landwirthschaftsrath Terrain gewonnen. 
27. Jannar. (Preußen.) Abg.-Haus: Budget-Commission: 
beschließt in der QOuotisirungsfrage wesentlich nach den Anträgen 
des nationalliberalen Rickert: 
„1) Im Juteuiss einer geordneten Finanzverwalkung ist es geboten: 
das Gejeh vom 25. Mai 187 3, betreffend die Classen= und Einkommenstener, 
bhin. ahzmändern. dass " ermöglicht wird, in dem Staalshaushaltsetat jähr- 
so viel an Classen= und Einkommenstener in Ansah zu cringen, als zur 
2 des jeweiligen Ausgabebedarfs erforderlich ist. 2) Die im Interesse 
bes deutschen Reiches und Preußens angestrebte Vermehrung der eigenen Ein- 
nahmen des Reiches liegt nur dann in preußischem Staatsinteresse, wenn die 
volle Gewähr bahln gegeben wird, daß der hierdurch, sei es durch Herab-
	        
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