512 Die ollomannische Plorle. (Oct. 19—20.)
auch, mit einigen Modificationen, vom Sultan genehmigt wird.
Dasselbe schließt mit einem Deficit von 47½ Millionen, dürfte
indeß auch so ganz illusorisch sein. Ebenso foll das Defizit durch
eine allgemeine Reduction aller Beamtengehalte um 10% befeitigt
werden und mit einzelnen Departements, wie dem der Post= und
Telegraphenanstalten, wird auch sofort der Anfang gemacht. Auch
das ist illusorisch, indem die Zahlung der Gehalte an ganze große
Kategorien namentlich niederer Beamten Seitens der Regierung
schon jetzt um viele Monate im Rückstande ist.
Seit vier Jahren hatte man sich vergebens bemüht, in Europa eine
neue Anleihe abzuschließen; alle hierauf bezüglichen Versuche scheiterten und
mußten scheitern, weil der Staatscredit der Türkei in Europa vollständig
vernichtet war; Niemand bezeigle Lust, seine Ersparnisse in türkischen Fonds
anzulegen, und wenn die Inhaber der älteren Staatsschuldscheine verschiedene
Vorschläge zu finanziellen Operationen machten, so thaten sie dieß nicht etwa
aus Freundschaft für die Türkei, sondern im Interesse ihrer eigenen For-
derungen, indem sie der Regierung Vorschüsse anboten, damit dieselbe in
den Stand gesetzt werde, durch geeignete Maßregeln den Nationalwohlstand
zu heben und die Stenerkraft des Landes zu stärken. Selbstverständlich war
eine wesentliche Bedingung dieser Vorschüsse eine ernstliche Controle der
türkischen Finanzverwaltung, also eine verhältnißmäßige Unterordnung der
Staatsverwaltung unter die Aufsicht Europa's, wozu sich der Sultan bis
jebt noch nicht hat entschließen können. Nachdem nun auf diese Weise vier
settane Jahre von der jünffährigen Frist verstrichen waren, welche die tür-
kische Regierung selbst in dem bekannten Actenstück vom 6. October 1875
sich gesetzt hatte, ist man nun doch endlich zu der Ueberzeugung gekommen,
daß eine Anleihe unmöglich ist, und so hat man denn den Bericht der
hroßen Finanzcommission, welche zu Anfang des laufenden Finanzjahres
(I11. März 1879 bis Ende Februar 1880) ernannt wurde, vorgenommen
und das von ihr ausgearbeitete Budget discutirt, modificirt und dem Sultau
zur Genehmigung vorgelegt.
19. October. Die russischen Einflüsse haben beim Sultan
wieder die Oberhand erhalten. Das Cabinet Aarifi — das über-
haupt nur ein Uebergangeministerium sein sollte — wird abgedankt
und Said Pascha zum Premierminister, Savas Pascha zum Minister
des Auswärtigen, Mahmud Nedim Pascha zum Präsidenten des
Staatsraths ernannt. Savfet Pascha ist mit der obersten Ueber-
wachung aller Verwaltungszweige betraut und erhält die Mission,
dem Sultan alle einzuführenden Reformen direct zu unterbreiten.
20. October. (Ostrumelien.) Wahl der Deputirten zur
ostrumelischen Provinzial-Versammlung.
Dabei fallen die seandalösesten Unregelmäßigkeiten allenthalben vor.
Mit aller Legalität Hohn sprechenden Mitteln weiß man in der ganzen
Provinz den bulgarischen Candidalen zum Siege zu verhelfen. Die moha-
medanisch-griechische Minorität in der Provinzial-Versammlung wird nur
wenige Stimmen zählen. Der Erfolg der bulgarischen Partei würde Aleko