Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

514 Die ollomaunisqt Plorle. (Nov. 15 — Dec. 14.) 
15. November. Der russische Botschafter, Fürst Lobanoff, von 
Livadia zurückgekehrt, räth der Pforte, die Wünsche Englands so schnell 
als möglich zu erfüllen. Die Pforte gibt daher England die besten 
Zusicherungen, namentlich auch, daß Baker Pascha mit einer Sen- 
dung nach Kleinasien betrant werden solle. Die englische Flotte 
erhält Gegenbefehl und bleibt in Malta. 
17. November. Der Sultan unterzeichnet einen Irade bez. 
Reformen in Europa sowohl als in Asien und überträgt Baker 
Pascha eine Mission nach Kleinasien, aber nur behufs „Bericht- 
erstattung“. In Wahrheit bleibt Alles beim Alten. 
23. November. Der Sultan erläßt einen Irade betr. wenig- 
stens theilweise Wiederaufnahme der Zahlungen für die in= und 
ausländische Staatsschuld vom Jahre 1880 an und schließt eine 
Finanzconvention mit der Ottoman-Bank und Galater Bankfirmen. 
Zweck des ersten Decretes ist, den Inhabern von Staatsschuldtiteln 
eine feste Annuilät von 1,350,000 Pfund Sterling und außerdem einen 
jährlichen Zuschußbetrag zu sichern, dessen He veränderlich, aber baldigst 
zu erheben sei, und der den Betrag der festen Annnität vermehren soll. 
Die Convention mit der ottomannischen Bank und den Galater Bankfirmen 
bezweckt, den letzteren die Steuereinkünfte aus dem Stempelpapier, den Spi- 
rituosen, aus Fischen und aus Seide auf 10 Jahre zu sichern und ihnen 
ebenso lange die Verwaltung des Salz= und des Tabakmonopols für Rech- 
nung des Staats zu übertragen. Die Einkünfte aus diesen Steuern und 
Zöllen sollen für Rechnung obiger Annnität von 1,350,000 Pfund ver- 
wendet werden. 
14. December. Mahmud Nedim Pascha legt dem Conseil ein 
Project für innere Reformen in der ganzen Türkei vor. Dasselbe 
geht im Wesentlichen dahin: 
1) Wird eine neue territoriale Eintheilung in Vorschlag gebracht: 
jede der bestehenden Provinzen wird in drei Theile getheilt und jeder dieser 
Theile unter einen Generalgouverneur gestellt. Die 16 Vilajets, welche nach 
dem Berliner Vertrage der Türkei verbleiben, werden somit in 48 Depar- 
tements eingetheilt. Die gegenwärtigen Vilajets mit ihren großen Budgets 
und beträchtlichen Ansdehnungen sind wahren Königreichen zu vergleichen. 
Die angedeutete Zertheilung wird die Verwaltung vereinfachen, und die Ge- 
neralgouverneure werden nicht mehr die frühere Bedentung haben. Man 
wird z. B. nicht mehr von den politischen Sympathien des Gouverneurs 
von Syrien, Midhat Paschas, für England sprechen können. Ferner schlägt 
Mahmud Nedim die Aufhebung der Mutessarifs, Gouverneure der San- 
bschaks, vor, wodurch auch die Bevölkerung in directe Beziehungen zum Ge- 
neralgouverneur treten wird, was bisher nicht der Fall ist. Mahmud Ne- 
dim erwartet von diesen Veränderungen die gleichen Vortheile, welche Frank- 
reich aus der Eintheilung seiner ehemaligen Provinzen in Departements er- 
wuchsen. 2) Nach dieser Vertheilung des Territoriums werden diejenigen 
neuen Departements, deren Bevölkerung der Mehrzahl nach aus Christen 
besteht, christliche Provinzialbeamten erhalten, ohne 47 hme vom Feld-