Kebersicht der politischen Enkwichlung des Jahres 1879. 555
der bereits im Lande wohnenden Jnden, die sich fortwährend durch
neue Zuzüge aus Nußland vermehrten, sowie der Umstand, daß
Viele, namentlich große rumänische Grundbesitzer den Juden tief
verschuldet waren, so daß zu befürchten stand, es möchten alsbald
große Strecken Landes in das directe Eigenthum der Juden über-
gehen, erregten nicht ganz ohne Grund Bedenken. Daß indeß irgend
etwas geschehen müsse, lag auf der Hand und beide Kammern be-
schlossen bis zum 6. April, daß die Verfassung beg. des Juden-
artikels abgeändert werden solle, was indeß durch neugewählte be-
sondere Revisionskammern geschehen mußte. Diese wurden am
3. Juni eröffnet und die Regierung machte ihnen eine dießbegügliche
Vorlage; aber das Ministerium Bratiann war nicht im Stande,
die Annahme derselben durchzusetzen und um nur etwas zu erreichen,
blieb nichts anderes übrig, als ein Coalitionsministerium zu bilden
und mit den Gegnern zu unterhandeln, ja mit den Gegnern um
einen Punct nach dem andern fast geradezu zu feilschen, wodurch
sich die Erledigung der Frage bis gegen das Ende des Jahres
hinauszog. Eine Gebietsvergrößerung erhielt Rumänien bekanntlich
nicht; ja es war sogar vom Berliner Congreß gezwungen worden,
den Theil an Bessarabien, den es in Folge des Krimmkrieges er-
halten hatte, wieder an Rußland zu überlassen und dagegen die
Dobrudscha anzunehmen, was nach seinem Dafürhalten gerade kein
vortheilhafter Tausch war. Auch den Besitz der Dobrudscha wollte
ihm Rußland verkümmern oder wenigstens erschweren, indem es die
sog. Arab-Tabia-Frage aufwarf, wobei es sich für Rumänien um
eine gesicherte und bequemere Verbindung mit der Dobrudscha über
die Donau handelte. Nußland fuhr eben fort, sich gegen Rumänien
ebenso unfreundlich als undankbar zu beweisen; denn ihm allein
hatte doch Rußland zu verdanken, daß seine militärische Ehre
nicht vor Plewna eine totale Niederlage erlitten hat. Die Rumänen
konnten sich allerdings mit der damals erlangten Anerkennung ihrer
militärischen Tüchtigkeit zufrieden geben: die vorher gebräuchlichen
abschätzigen Urtheile über das Volk und seinen Herrscher sind denn
auch seither wie billig verslummt. Trotzdem mußten sie auch in der
Arab-Tabia-Frage zunächst der russischen Nücksichtslosigkeit und Ge-
waltthätigkeit weichen. Die Frage ist bis heute noch nicht ent-
schieden, doch ist es wahrscheinlich und zu hoffen, daß die Entschei-
dung der Mächte schließlich zu Gunsten Rumäniens ausfallen werde.
Als die schwierigste ergab sich die Stellung Montenegro's bezüglich