Das dentsche Reich und seine einselnen Glieder. (Febr 4.) 57
Herrschaft waren, konnte der Artikel natürlich nicht beseitigt werden. Die
naturgemäs eingetretene Kl#rung und Schärfung der nationalen Gegensähe
führte in Nordschleswig zu Wahlen „im Sinne des Artikels V.“ Anfangs
zwei, dann ein dänischer Abgeordueter wurden seit 1867 in den Reichslag
nach Berlin entsendet. Im preußischen Abgeordnetenhanse erichienen stets
zwei dänische Mitglieder mit der „Weigerung des prenßischen Verfassungs-
eides und nachheriger Exmission. Die im bleudendsten Dialekt vorgetragenen
Reichstagsberufungen des wackeren Hodbesitzers Haus Andersen Krüger von
Beftoft bei Hadersleben auf „Pragtraktaten“ (de Prager Frieden) kehrten
jedes Jahr wieder; einige Male veranstaltete auch Fürst Bienark auf seinen
Samstagssoircen irgend eine diplomatische Halbdupirung des nordschleswig-
schen Biedermannes, dessen Name beiläusig nur auf plattdentschen Ursprung
deuten kann. Die aus Rücksicht auf Frankreich geführten Verhaudlungen
über Nordschleswig führten regelmäßig zu keinem Resultal; nach 1870 schlie=
fen sie natürlich ein, bezeichnender Weise entwickelte sich dann 1873.—78
zwischen Berlin und Kopenhagen eine große Zärtlichkeit. In Wien war
unterdeß wiederholt um den Verzicht Oesterreichs auf jene Klausel. angefragt
worden; Oesterreich wich aber slets aus und wollte jenen Dorn im Fleisch
Deutschlands lassen resp. nicht ohne Engelt denselben entfernen. Vielleicht
meint es, jenen Engelt jetzt in Bosnien gefunden zu haben. Die erste An-
regung zu dem Vertrag erfolgte in Kassel. Der öslerreichische Mililärbevoll=
mächtigte in Berlin Prinz Aloys Liechtenstein war im Sommer auf Urlaub
in Oesterreich gewesen und verabschiedete sich alsdann in üblicher Weise bei
dem Kaiser Franz Josef. Bei dieser Gelegenheit beauftragle der letztere den
Prinzen mit der Mittheilung an den sich damals Zu Kassel wegen der Herbst-
manöver aufhaltenden deutschen Kaiser, daß Oesterreich gegen eine Aufhebung
jener Vertragsklausel „im Prinzip“ nichts mehr einzuwenden habe. Die
Verhandlungen nahmen“ dann einen raschen Verlauf;: Deutschland wünschte
und erhielt die Bestimmung über die Zeit der Veröffentlichung des Vertrages.
Am Tage nach seinem Wiedereinzug in Berlin, also am 6. Dezember, hat der
deutsche Kaiser den Vertrag unterzeichnet; das Dalum des 11. Oktober tragen
bekanntlich die Unterschriften des Grafen Andrassy und des deutschen Bot-
schafters in Wien Heinrich VII. Reuß. Der fast zwei Monate umfassende
Zeitraum zwischen beiden Daten läßt der Vermuthung über mittlerweile ge-
pflogene vertrauliche Vorverhandlungen vielleicht mit dem sich für Dänemark
in jener Frage interessirenden Rußland einigen Raum; der Zusammenhang
zwischen der Veroffenklichung des Vertrages und der weljischen Demonstration
in Kopenhagen wird nur noch deutlicher.
Auf jeden Fall hat Fürst Bismark zur Zeit des Vertragsabschlusses
die dänisch-welfische Abmachung bereits gekannt und auf dieselbe in gewohn-
ler kräftiger Weise geantwortek. In diesen Dingen ist eine gewisse Stufen-
leiler nicht zu kien Nach dem Scheitern der vertraulichen Anknüpf-
ungen mit dem Hergzog von Cumberland veröffentlichte Fürst Bismark die
taktlose Mittheildes Vselben über den Tod seines Vaters mit der Adressir-
ung an den „König von Preußen“ unter vollständiger Ignorirung der
Kaiserwürde des letzteren, dann kam die Kopenhagener Anspinnung, zuletzt
die dänischen Ordensauszeichnungen für die welsische Hochreitsdepmtation und
darauf erfolgte wahrscheinlich der Abschluß, sicher aber die Veröffentlichung
jeues denksch-österreichischen Vertrags. Fürst Bismark hat mit demselben zu-
gleich das Verhältniß des Herzogs von Cumberland innerhalb der königlich
dänischen Familie wie die Stellung König Christiaus IX. zu seiner Nation
auf das empfindlichste getroffen. Der Herzog von Cumberland hat keine
Soldaten und der König von Dänemark nicht viele; die Hauptsache bleibt
immer das Verhältniß Leusschlands zu der seinen ausgesetzten Seiten am