Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

614 Nebersicht der polilischen Enlwichlung dro Jahres 1870. 
entsprach und die Reichslande mehr und mehr mit ihrer neuen 
Stellung im deutschen Reiche aussöhnen soll. Zum kaiserlichen Statt- 
halter derselben ernannte der Kaiser den Feldmarschall v. Manteuffel 
und die Art, wie dieser seine Aufgabe zunächst in die Hände nahm 
und von vorneherein erklärte, allen berechtigten und billigen Wün- 
schen entgegenkommen, allen französisirenden Versuchen aber mit 
unerbittlicher Energie widerstehen zu wollen, schien zu den besten 
Hoffnungen zu berechtigen. 
Neuwahl Kurg vorher im Laufe des Septembers hatten die Neuwahlen 
—. preußischen Abgeordnetenhause stattgesunden. Sie sielen über 
schen alle Erwartung hinaus zum Nachtheile der Liberalen und zum Vor- 
#### theile der Confervativen aller Schattirungen aus. Die National- 
Hauses-liberalen verloren nicht weniger als 63, die Fortschrittspartei 29 
Sitze; dagegen gewannen die Alt= und Deutsch-Conservativen 73, 
die Freiconservakiven 15, das ultramontaue Centrum 7 und selbst 
die Polen 4 neue Sitze mehr als bisher. Das ganze Haus zählt 
fortan, die Ultramontanen inbegriffen, 280 Mitglieder der Rechten 
und nur 139 Liberale; 14 gehören keiner Fraction an. Die con- 
Evang. servative Strömung, die in diesem Wahlresultate zu Tage trat, 
nerocchatte auch die Wahlen und die königlichen Ernennungen zur evan- 
gelischen Generalfynode beherrscht, die am 9. October in Berlin er- 
öffnet wurde: Die große Mehrheit derselben gehörte der streng 
orthodoxen Partei an und stimmte also in ihrer Richtung ganz mit 
dem neuen an die Stelle Falk's getretenen Cultusminister v. Putt- 
v. Pull= kamer überein. Auf dem Gebiete der Kirche und der Schule trat 
kamer, unläugbar eine gewisse Reaction ein, die namentlich durch das Vor- 
gehen des Cultusministers gegen eine weitere Ausdehnung der Si- 
multanschulen vielfache je nach dem Partei-Standpunkte allerdings 
wohl erklärliche Unzufriedenheit erregte. Auch der katholischen Kirche 
und den Forderungen der Ultramontauen kam der Cultusminister ent- 
gegen, soweit es nur immer möglich war, und wenn er nicht noch 
weiter ging, so hinderten ihn nur die Mai-Gesetze daran, die er 
nicht umgehen konnte und nicht außer Acht lassen durfte. Die Ultra- 
montanen hatten freilich nach der Unterstützung, die sie dem Reichskanzler 
im Reichstage gewährt hatten, mehr erwartet und waren mit den 
kleineren Concessionen keineswegs zufrieden. Eben darum war es 
2*—8 auch zweifelhaft, ob sich die Allianz zwischen Conservativen und 
Gans. Ultramontanen, wie sie sich im Reichstage gebildet hatte, einfach 
auch auf den preußischen Landtag übertragen lassen werde. Für 
p
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.