Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 3) 89
kanzler läßt demselben den Entwurf einer Verordnung wegen Er-
richtung eines deutschen Volkswirthschaftsrathes zugehen. Bisher
wurde eine gesetzliche Regelung der Frage erwartet.
Die Einrichtung entspräche danach ganz derjenigen des preußischen
Volkswirthschaftsrathes. Der deutsche Volkswirthschaftsrath soll aus 125
von den Landesregierungen, bezw. von mehreren derselben gemeinschaftlich
dem Bundesrath zur Berufung zu präsentirenden Mitgliedern bestehen. Die
Berufung erfolgt für Sitzungsperioden von je 5 Jahren. Von den zu Prä-
sentirenden entfallen auf Preußen 75, auf Bayern 15, auf das Königreich
Sachsen 8, auf Württemberg 6, auf Baden 4. auf Hessen 3, auf die beiden
Mecklenburg zusammen 2, auf Oldenburg 1, auf die gesammten thüringischen
Staaten zusammen 3, auf Anhalt, Waldeck, Braunschweig. Schaumburg-
Lippe und Lippe zusammen 2, auf Lübeck, Bremen und Hamburg zusammen
2, auf Eljaß-Lothringen 4, im Ganzen 125. Die Berufung der Ausschüsse,
der Sectionen und des Plenums erfolgt durch den Reichskanzler. Den
Vorsitz im Plenum, den Sectionen und den Ausschüssen führt der Reichs-
kanzler, welcher sich durch einen geeigneten Beamten vertreten lassen kann.
Jede Bundesregierung ist befugt, an den Sitzungen des Plenums, der Sec-
tionen und der Ausschüsse durch Bevollmächtigte oder Commissäre theilzu-
nehmen. Der Bundesrath hat die Geschäftsordnung für die Sectionen, die
Ausschüsse und das Plenum festzustellen. Die Mitglieder erhalten Reise-
kosten und Diäten.
3. März. (Deutsches Reich.) Reichstag: beschließt auf den
Antrag des Abg. Mendel, die Wahlprüfungscommissäre zu beauf-
tragen, über die bei den Reichstagswahlen am häufigsten vorkom-
menden Fehler und Versehen an das Haus zu berichten.
Nach Begründung des Antrags durch den Antragsteller nimmt der
Reichskanzler das Wort, mißbilligt die Beeinflussung der Wähler durch
Beamte und tritt für absolute Freiheit der Wahl ein. Die Regierungsvor-
lage zur Reichsverfassung habe die Nichtwählbarkeit der Beamten enthalten,
erst der Reichstag habe diese Schranken beseitigt. Die Regierung wolle keine
Beeinflussung der Wähler durch Beamte und werde stets einem solchen Ge-
bahren energisch entgegentreten. Hänel bittet das Geständniß festzuhalten.
daß Fürst Bismarck ein Gegner der Wahlbeeinflussung durch die Beamten
sei, was man in Preußen noch nicht habe bemerken können. Der Reichs-
kanzler bittet, Amtsüberschreitungen dem Einzelnen, nicht aber dem Chef
der Staatsverwaltung zur Last zu legen. Frhr. v. Minnigerode nimmt
die preußischen Verwaltungsbehörden im Allgemeinen in Schutz gegen den
Vorwurf unbefugter Wahlagitation und Pression. Auf liberaler Seite werde
viel stärker mit Hochdruck durch richterliche Beamte gearbeitet.
In der durch die Secession ihres linken Flügels einigermaßen
ins Schwanken gekommenen nat.-lib. Fraction hält v. Bennigsen
eine Rede über die von der Fraction zu beobachtende Taktik. Das
Resultat der Besprechung ist, daß die der Secession zuneigenden
Elemente in der Fraction verbleiben.
3. März. (Württemberg.) II. Kammer: Finanzcommission:
beschließt den Antrag, die Regierung zu bitten, im Bundesrath auf
die Einführung des Tabakmonopols hinzuwirken.