Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 5—6.) 93 
die Versicherung ein. § 17 (neu): Betriebsunternehmer, die die vorgeschrie- 
bene Anzeige nicht erstatten, sind dazu von der unteren Verwaltungsbehörde 
unter Bestimmung einer Frist und unter der Verwarnung aufzufordern, daß 
im Fall der Nichterstattung der Anzeige ihr Betrieb mit dem höchsten Prä- 
miensatze herangezogen werden würde. § 35 (neu): Dem Verletzten steht ein 
Anspruch in Gemäßheit dieses Gesetzes nicht zu, wenn er vorsätzlich die Ver- 
letzung sich zugefügt hat oder durch einen anderen hat zufügen lassen. Die 
Ansprüche der Hinterbliebenen werden hiedurch nicht berührt. § 45 (neu): 
Die Betriebsunternehmer sind nicht befugt, die Anwendung der Bestimmungen 
dieses Gesetzes zu ihrem Vortheile durch Verträge im voraus auszuschließen 
und zu beschränken. Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift zuwider- 
laufen, haben keine rechtliche Wirkung. Von besonderer Wichtigkeit ist die 
neue Bestimmung des § 56, wonach Unternehmern von Betrieben derselben 
Gefahrenclassen in räumlich abgegrenzten Bezirken gestattet werden kann, 
zum Zweck der Unfallversicherung auf Gegenseitigkeit zusammenzutreten. 
Durch das Bestehen einer solchen Genossenschaft werden die Entschädigungs- 
ansprüche, welche den durch einen Unfall Verletzten oder ihren, Hinterbliebe- 
nen gegen die Reichsversicherungsanstalt zustehen, nicht berührt. 
5. März. (Deutsches Reich.) Reichstag: Budgetcommission: 
beräth über Ersparungen im Militäretat: 
nächst wird unter Zustimmung des Kriegsministers v. Kameke von 
der für Waffenretablissements geforderten Summe der Betrag von einer 
Million Mark abgesetzt. Dann entspinnt sich eine sehr eingehende Debatte 
über den von fortschrittlicher  Seite eingebrachten Antrag, die Einstellung 
der Recruten um weitere vier Wochen hinauszuschieben, so daß hiedurch die 
Einstellung acht Wochen nach dem nominellen Diensteintrittslermin erfolgen 
würde. Kriegsminister v. Kameke erklärt den Antrag für unannehmbar, 
weil dadurch die Zeit für die Recrutenausbildung über Gebühr verkürzt 
würde. Der Antrag wird von der Commission abgelehnt, dagegen der An- 
trag des Abg. v. Benda, die Recruteneinstellung um 14 Tage zu verzögern, 
mit allen gegen die Stimmen der Conservativen und Freiconservativen an- 
genommen. Die hieraus resultirende Ersparniß beziffert sich auf 400,000 M. 
Abg. Löwe (Berlin) erklärt, daß die Fortschrittspartei mit dieser geringeren 
Reducirung sich begnügen, auch eine von dem Abg. Frhrn. zu Franckenstein 
gestellte Foderung die für die Uebungen der Ersatzreserve geforderte Summe 
von 350,000 M auf die Hälfte zu ermäßigen, nicht unterstützen wolle, wenn 
der Kriegsminister   bis zur zweiten Lesung des Militäretats die Versicherung 
abgeben würde, daß Dienstentlassungen ausgebildeter Mannschaften in aus- 
reichendem Umfang eintreten würden, um eine Ersparniß von einer Million 
Mark zu ergeben. Der erwähnte Antrag Franckenstein fällt mit allen gegen 
die Stimmen des Centrums 
5. März. (Preußen.) Der Cultminister v. Puttkamer über- 
nimmt interimistisch auch die Geschäfte des Ministeriums des Innern. 
6. März. (Württemberg.) II. Kammer: beschließt, um 
das im Budget bestehende Deficit von M 4,198,848 ohne Erhöhung 
der directen Steuern theilweise zu decken, nach zweitägiger Debatte, 
die Braumalzsteuer nach dem Antrage der Commission auf M 4. 
zu erhöhen, bei welchem Satze es den Bräuern nicht möglich sein 
würde, die Steuer durch Erhöhung des Bierpreises auf das Publi-
	        
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