96 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 10 —11.)
Commission für das Küstenschiffahrtsgesetz: verwirft mit 10
gegen 8 Stimmen die Erneuerung des vorjährigen (ablehnenden)
Beschlusses und nimmt vielmehr die Vorlage an, welche die aus-
ländischen Schiffe von der Küstenfrachtfahrt ausschließt, aber vor-
behält, solchen Schiffen dieses Recht durch Staatsvertrag oder kaiser-
liche Verordnung einzuräumen.
10. März. (Württemberg.) II. Kammer: nimmt nach
kurzer Debatte den Antrag der Finanzcommission, die Regierung zu
bitten, im Bundesrath auf Einführung des Tabakmonopols hinzu-
wirken, mit 56 gegen 16 Stimmen an.
Ministerpräsident v. Mittnacht stimmt als Abgeordneter mit „Ja.“
Finanzminister v. Renner erklärt in der Debatte, daß er für seine Person
und auch das Staatsministerium mit dem Antrage, der eben berathen werde
und der mit dem, was seitens der württembergischen Regierung bis jetzt ge-
schehen sei, nur übereinstimme, sich einverstanden erklären könne, und daß
derselbe die Stellung der württembergischen Regierung in dieser Frage nur
verstärken könne. Er schließe mit der Bemerkung, daß nach seiner persön-
lichen Ansicht die finanziellen Verhältnisse in Deutschland solcher Art seien,
daß eine wirkliche und nachhaltige Ordnung derselben nur erfolgen könne,
wenn das Tabakmonopol eingeführt werde.
11—12. März. (Deutsches Reich.) Reichstag: Berathung
und Erledigung des Militäretats und des Marineetats.
Entgegen dem Antrage der Commission, in welcher es einer Coalition
gelungen war, die erste Rate für ein neues Panzerschiff im Betrage von
2,400,000 M zu Fall zu bringen, wird diese Position, durch welche der
Flottenbauplan seinen Abschluß erhält, bewilligt, und zwar durch die
nationalliberale und die freiconservative Partei, denen ein Theil der Conser-
vativen beitritt; die Minderheit bilden das ultram. Centrum, die Secessio-
nisten und die Fortschrittspartei mit dem Rest der Conservativen. Dagegen
wird die Position von 400,000 M für ein Ergänzungsschiff nach dem An-
trage der Commission unter stillschweigender Zustimmung der Marinever-
waltung gestrichen. — Im Militäretat hatten sich Commission und
Regierung über eine Erhöhung der Ersparniß bei der Recrutenvacanz im
Betrage von 400,000 M geeinigt. Ein Antrag Franckenstein und Gen.
(ultram.) will diese Ersparniß bis auf 2 Mill. erhöhen, dringt aber nicht
durch, indem er nur die Zustimmung des Centrums, der Secessionisten und
der Fortschritlspartei findet. — Die Erledigung beider Etats erfolgt so
schnell, weil die große Mehrzahl der Positionen thatsächlich den Character
eines eisernen Etats angenommen hat und überflüssige Redeübungen auch
dem Hause nicht genehm zu sein scheinen.
11. März. (Deutsches Reich.) Der Magistrat von Berlin
richtet eine Petition an den Reichstag, welche um Ablehnung des
Gesetzentwurfs betr. Besteuerung der Dienstwohnungen von Reichs-
beamten bittet. In derselben werden zugleich die Beschuldigungen
des Reichskanzlers gegen die städtische Steuerverwaltung zu wider-
legen versucht.