Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 12.) 97 
Budgetcommission: bewilligt die im Etat des Reichsamts des 
Innern geforderten 38,000 M für einen Director, 5 vortragende 
Räthe (wovon 3 preußische im Nebenamt) und einen Hülfsarbeiter 
als ,wirthschaftliche Abtheilung“ desselben. 
Die Geschäfte dieser neuen Abtheilung sind nach den Erläuterungen 
im Etat und nach den Erklärungen des Staatssecretärs v. Bötticher ledig- 
lich gesetzgeberischer Natur; es handelt sich um Ausarbeitung von Gesetzen, 
die durch Hülfsarbeiter eben so gut wie durch definitiv angestellte Beamte 
geschehen könnte, wie es auch bei der Ausarbeitung der Justizgesetze der 
Fall war. Eigentliche  Verwaltungsgeschäfte hat diese Abtheilung gar nicht. 
Nichtsdestoweniger erklärt sich Frhr. v. Franckenstein für die Bewilligung  
der Etatsposition und gegen den Antrag Weber auf Bewilligung einer 
Pauschsumme von 25.000 M Deutschconservative. deutsche Reichspartei und 
Centrum setzen die Annahme der Regierungsvorlage durch. Es ist dieß um 
so überraschender, als Hr. v. Bötticher in Aussicht gestellt hatte, daß die 
wirthschaftliche Abtheilung sich durch Uebernahme der Verwaltung von 
Handel und Gewerbe auf das Reich zu einem selbständigen Handelsamt ent- 
wickeln werde. Als vor einigen Jahren der Posten eines Unterstaatssecre- 
tärs im preußischen Handelsministerium in den Etat aufgenommen wurde, 
war das seitens der Regierung damit motivirt, daß diesem Ressort die Vor- 
bereitung der wirthschaftlichen Gesetzgebung für das Reich obliege. Diese 
Obliegenheit hat jetzt das Reich auf sich genommen, und damit hat das 
preußische Handelsministerium seine Bedeutung wesentlich verloren. Die 
Absicht, später einmal ein Reichsamt für Handrl  und Gewerbe zu schaffen, 
ist indeß kaum eine genügende Veranlassung, jetzt die Mitglieder einer Ge- 
setzgebungscommission mit etatsmäßigen Stellen zu dotiren; aber das Cen- 
trum, welches sonst nicht gerade eine besondere Vorliebe für Reichsämter zu 
haben pflegt, ist offenbar froh, einen Vorwand für Bewilligung der Regie- 
rungsanträge zu finden. 
12. März. (Deutsches Reich.) Reichstag: Budgetberathung: 
genehmigt nach dem Ausschußantrag die Errichtung einer ständigen 
wirthschaftlichen Abtheilung im Reichsamt des Innern und erledigt 
den Post- und Telegraphenetat. 
Der letztere gibt dem Chef des Ressorts, Stephan, Gelegenheit, die 
großartigen Erfolge seiner Thätigkeit namentlich in der Ausdehnung der 
unterirdischen Linien, der Rohrpost- Anlagen, Fernsprech-Anstalten in ein 
glänzendes Licht zu stellen. Aus der interessanten Detail-Aufzählung heben 
wir nur hervor, daß das gesammte Deutschland jetzt 10,000 Telegraphen- 
Anstalten besitzt und damit allen Ländern der Welt den Rang abgelaufen 
hat, und auch der nüchternste Rechner wird seine Freude daran haben, daß 
sich das hierin angelegte Geld zu 7 pCt. verzinst und daß Post- und Tele- 
graphenwesen zusammen einen jährlichen Ueberschuß von 18 Millionen erzielen. 
12. März. (Preußen.) Das Domcapitel von Osnabrück 
wählt den Domcapitular Höting zum Capitularvicar in derselben 
Weise und unter denselben Voraussetzungen (Erlassung des Eides) 
wie in Paderborn. Auf eben dieselbe Weise soll auch in Trier und 
Fulda wieder eine regelmäßige Diöcesanverwaltung hergestellt werden. 
Die Ultramontanen sind jedoch mit diesen Concessionen der Regierung 
Schulthess. Europ. Geschichtskalender. XXII. Bd.  7
	        
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