Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 18.) 103
„Die seitdem veröffentlichten Finanzausweise lassen zum Theil eine
noch sehr erhebliche Steigerung dieser Tabaksteuererträge namentlich für Frank-
reich, Großbrittannien und die Vereinigten Staaten von Amerika erkennen.
„Ergibt sich aus vorstehender Darstellung, daß Deutschland in der
Ausbilbung der indirecten Besteuerung weit zurückgeblieben ist hinter den
übrigen Großstaaten, so kann andererseits nicht verkannt werden, daß die
Quelle directer Steuerbelastung im Reich nicht nur für Staatszwecke, son-
dern auch für Stadt-, Provinzial-, Kreis-, Kirchen- und andere Verbände
in höchst vielseitiger und schwer belastender, in erschöpfender Weise in An-
spruch genommen ist Im Hinblick auf die große Mannigfaltigkeit derarti-
ger Belastung und deren örtliche Verschiedenheit kann hier von dem Versuch
ziffermäßiger Begründung dieser Behauptung um so mehr Abstand genom-
men werden, als letztere für den Ausdruck allgemein getheilter Ueberzeugung
gelten darf. Schon die Mängel und Härten der directen Abgaben würden
dringend dazu auffordern müssen, auf die theilweise Ersetzung derselben durch
Erschließung und höhere Anspannung indirecter Steuerquellen hinzuwirken.
Das Reich und die Bundesstaaten können sich aber auch nicht länger der
Aufgabe entziehen, Mittel zur Erleichterung der überbürdeten Gemeinden
von solchen Lasten aufzubringen, welche, wie Schul-, Armen-, Polizei-,
Standesamtslasten, zu Staatszwecken dienen und auf Staats= und Reichs-
gesetz beruhen. Die Gemeinden werden dadurch, daß der Staat diese seine
Lasten ihnen auferlegt, in seinen Pflichten sich durch sie vertreten läßt, nicht
nur sehr ungleich, sondern vielfach über ihre Kräfte belastet. Die För-
derung intellectueller Bildung der heranwachsenden Jugend, die Sicherung
des Lebensunterhalts für den Erwerbsunfähigen, die präventive Ueberwachung
der Gesetzesbefolgung, die Erfüllung der zur Sicherung des Personenstandes
vorgeschriebenen Amtshandlungen sind Forderungen des Staates und be-
rühren den Bestand und die gedeihliche Fortentwicklung der Staatsgesammt-
heit in unmittelbarer Weise; die Erfüllung dieser Aufgaben kann nicht auf
die Schultern der Gemeinden dauernd abgebürdet werden, ohne daß der Staat
ihnen mit ausgleichender Unterstützung zu Hülfe kommt.
„Die Einzelstaaten aber, welche ihrerseits die Mittel zur Erfüllung
jener Aufgaben zu beschaffen hätten, vermögen bei der fast in allen Staaten
vorliegenden Unmöglichkeit einer stärkeren Anspannung der directen Steuern
so weitgehende, finanzielle Verpflichtungen nur dann zu übernehmen, wenn
das Reich, welches allein im Stande ist, beträchtliche neue Einnahmen aus
indirecten Steuern in wirksamer und zweckmäßiger Weise zu erschließen, durch
indirecte Besteuerung den Cassen der Einzelstaaten ausreichende Deckungs-
mittel zuzuführen bereit ist.
„Nur auf diesem Wege kann es gelingen, das Besteuerungssystem in
Deutschland zweckmäßig, ergiebig und dabei gerecht zu gestalten, zugleich aber
die Mittel zur Entlastung der Gemeinden von umfangreichen naturgemäß
ihnen nicht obliegenden Verpflichtungen zu gewinnen.“
18. März. (Deutsches Reich.) Bundesrath: der Reichs-
kanzler übermittelt demselben einen Gesetzentwurf für Elfaß-Loth-
ringen betr. Oeffentlichkeit der Verhandlungen und den Gebrauch
der deutschen Sprache im Landesausschusse desselben, der die Mit-
wirkung des Reichstags erheischt.
Der Gesetzentwurf lautet: „§ 1. Die Verhandlungen des Landes-
ausschusses für Elsaß-Lothringen sind öffentlich, die Geschäftssprache desselben
ist die deutsche. § 2. Mitgliedern des Landesausschusses, welche der deut-
schen Sprache nicht mächtig sind, ist das Vorlesen schriftlich aufgesetzter