Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 28.) 123
diesem Ende hin sich in erster Linie wo möglich über eine Wiederbesetzung
der verwaisten Bischofstühle zu verständigen. Um das Ziel zu erreichen,
mußten indeß beide Theile gewisse Concessionen machen. Die Concession
der römischen Curie nun besteht darin, daß sie das vorjährige kirchen-
politische Gesetz, gegen welches das Centrum seinerseits sprach und stimmte,
ihrerseits thatsächlich angenommen hat und befolgt. Der Papst hat infolge
dessen das auf ihn devolvirte Recht der Verweserbestellung den Capiteln
zurückgegeben und diese haben in Paderborn, Osnabrück und Trier von dem
zurückerhaltenen Rechte auch Gebrauch gemacht im Vertrauen auf die Con
cession des Staats, daß er die Gewählten anerkennen und ihnen den
Eid erlassen werde, wozu das vorjährige Gesetz die Regierung ermächtigt hat.
Selbstverständlich kann und wird indeß die preußische Regierung von der
Ermächtigung nur in dem Fall Gebrauch machen, wenn die Persönlichkeit
der Gewählten derart ist, daß sie die Möglichkeit eines friedlichen modus
vivendi zum mindesten nicht von vorneherein ausschließt. In Paderborn
und Osnabrück war das der Fall, in Trier nicht: dort ist daher der erste
Schritt der Verständigung gelungen, hier vorerst gescheitert. Allein selbst
wenn es gelingen sollte, auch hier und in Fulda d. h. bezüglich aller auch
nach der Anschauung Roms erledigten Bisthümer sich zu verständigen, so
blieben immer noch diejenigen Bisthümer und Erzbisthümer übrig, die nicht
durch Todesfall, sondern vielmehr durch Absetzung seitens des kirchlichen
Gerichtshofs, wie Köln und Posen, welche Absetzung Rom nie und nimmer
anerkennen wird, verwaist sind. Und dann bleibt erst noch die Anzeige-
pflicht der Anerkennungsfrage, dieser Ausgangs und Angelpunkt des
ganzen Culturkampfes, übrig. Denn wie wenig die preußische Regierung die in
dem päpstlichen Briefe vom 24. Februar 1880 gemachte eventuelle Zusage als
eine bedingungslose betrachtet hat, geht daraus hervor, daß in einem im
Auftrage des Reichskanzlers vom Geh-Rath Lothar Bucher an den Prinzen
Reuß gerichteten Schreiben vom 4. März der Wunsch ausgesprochen wird,
die Curie möge sich des näheren darüber erklären, „von welchen Gegen
leistungen des Staates ihr Zugeständniß abhängig gemacht wird.“ Darauf-
hin hat denn der Cardinal Nina in einer Depesche vom 23. März noch
einmal die vom heiligen Stuhle aufgestellten Bedingungen genau fixirt.
Diese sind einem westphälischen ultramontanen Blatte zufolge: 1) Einspruchs-
recht des Staates nur bei Pfarrern, nicht auch bei Hilfspriestern; bei Con-
flictsfällen zwischen Bischof und Regierung letzte Entscheidung beim Papste;
2) volle Amnestie und Niederschlogung aller Processe der verurtheilten bezw.
angeklagten Bischöfe und Priester, d. h. also u. a: Rückberufung der exilirten
Oberhirten; 3) Garantie dafür, daß die preußische Gesetzgebung mit den
Grundsätzen der katholischen Kirche in Einklang gebracht werde; 4) religiöser
Unterricht nach katholischen Principien. Wenn hierauf eine günstige Zusage
erfolge, erklärt der Cardinal, solle die in Aussicht gestellte Anweisung an
die Bischöfe (und den damals noch lebenden Bisthumsverweser Hahne), die
Anzeige beim Oberpräsidenten zu machen, sofort erlassen werden. Wenn
jedoch dies die äußersten Bedingungen des Vaticans sind, so wird der Cultur-
kampf in Preußen sicher nie aufhören.
28. März. (Hamburg.) Der Senat hat sich entschlossen,
mit dem Bundesrathe und der Reichsregierung, d. h. dem Fürsten
Bismarck, bez. der Freihafenstellung in förmliche Unterhandlung zu
treten und wo möglich zu verständigen. Derselbe richtet dafür den
Antrag auf Einsetzung einer Vertrauenscommission an die Bürger-
schaft, der folgendermaßen lautet: