Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 1-4.) 133
wirthschaftlichen Bevölkerung vielfach in Berührung mit Maschinen, die
nicht von elementaren Kräften, sondern von Pferden, mitunter auch von
Menschenhänden geleitet werden, und diese Berührung ist vielfach eine lebens-
und gesundheitsgefährliche; es ist aber außerordentlich schwer, den Procent-
satz dieser Bevölkerung, das Beitragsverhältniß, welches daraus hervorgeht,
zu fixiren. Der Herr Abgeordnete hatte ja seinerseits schon fertige Erfahrung,
wieviel in jedem Zweige der menschlichen Beschäftigung der Procentsatz be-
trägt, und er hat sie mit großer Sicherheit angeführt ich würde ihm dank-
bar sein, wenn er diesen Schatz und die Quelle, aus der er ihn gezogen hat,
uns mittheilen wollte. Wir haben versucht, uns zu helfen, die Vorarbeiten
waren sorgfältig nach Daten — notabene nach sicheren, nicht nach beliebi-
gen statistischen, auf Conjecturen begründeten Ziffern ausgesucht, und wenn
wir die gefunden hätten, die der Herr Abgeordnete mit seinem schärferen
Blick ja sofort entdeckt zu haben scheint, wenn sie uns zugänglich gewesen
wären, und wenn wir sie für richtig gehalten hätlen, würden wir in dieser
Vorlage weiter gegangen sein.
„Wenn ich sage, ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Landwirth-
schaft auch schließlich hineingezogen wird, so schwebt mir dabei eine Organi-
sation vor, die so rasch in einer Session nicht hergestellt werden kann, mit
der das Kind. wenn es überhaupt zur Welt kommt, überhaupt nicht geboren
werden kann, sondern in die muß es erst allmählich hineinwachsen, nämlich
eine Organisation, nach welcher die Zweige, die ihre Arbeiter versichert
haben, in sich corporative Genossenschaften bilden, welche ihren wirklichen
Bedarf an Entschädigungen durch Prämien in sich aufbringen, und welche
zugleich die genügende Controle über ihre Mitglieder dahin ausüben, daß
die Einrichtungen überall so sind, daß der Genossenschaft mit denselben wenig
Lasten erwachsen, mit anderen Worten, daß man das Interesse der mit-
zahlenden Mitgenossen zum Wächter der Zweckmäßigkeit der Einrichtungen
für Verhinderung der Unfälle macht. Gelingt es, im Wege der Erfahrung
dahin zu kommen, dann wird man auch für die nicht mit elementaren
Ktäften wirthschaftende Landwirthschaft wahrscheinlich den richtigen Procentsatz
im Wege der Erfahrung finden. Der Mangel an Erfahrungen auf
diesem Gebiet hat uns auch bestimmt, in der Frage, wie die Beitragspflicht
vertheilt werden soll, vor der Hand sehr vorsichtig zu sein, und ich muß
sagen, ich würde meinerseits nicht den Muth haben, den Entwurf weiter zu
verfolgen, wenn die Ausgaben, die er als Gesetz mit sich bringt, ausschließlich
zu Lasten der Industrie geschrieben werden follen. Wenn die Staatshilfe,
sei es in Form der Landarmenverbände, sei es in Form der Provinz, sei
es in Form des Staats, vollständig fortbleibt, dann werde ich nicht den
Muth haben, für die Folgen dieses Gesetzes“ der Industrie gegenüber einzu
stehen. Es ist möglich, und wir werden Das vielleicht in wenig Jahren
der Erfahrung nach beurtheilen, und wir können ja den Staatszuschuß unter
Umständen zunächst auf drei Jahre limitiren, oder wie man Das will; aber
ohne jedes schon gemachte Experiment, ohne jede practische Ermitlelung
Dessen, was uns da bevorsteht, habe ich nicht den Muth, die Industrie mit
den vollen Kosten dieser staatlichen Einrichtungen zu belasten, sie in höherem
Maße zu belasten, wie bisher, um ihr Dasjenige aufzuerlegen, was die Lokal-
armenverbäude bisher an Fürsorge für den verunglückten Fabrikarbeiter zu
tragen gehabt haben, und was künflig in einem höheren, vollkommneren
und würdigeren Maß durch die Versicherer getragen werden soll, in Gemein
schaft mit dem Staat Es handelt sich hier nicht um eine Schöpfung ganz
ausschließlich neuer Lasten, sondern um eine Uebertragung von Lasten aus
den Armenverbänden auf staatliche Leistungen. Daß die Last des Gebers
oder der Vortheil, den der Arbeiter überhaupt zu empfangen hat, erhöht