Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

138 Dos deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 1—4.). 
im Fabritationzstadium, zu bestenern, welches manche andere Staaten wie 
Frankreich ganz frei läßt, oder in einem andern Stadium zu treffen. Der 
Herr Abgeordnete hat also — gewiß unfreiwillig — einen Irrthum be- 
gangen. Indessen der Irrthum macht sich, indem er später in vielen 
Blättern, auf die der Herr Abgeordnete Einsluß hat, odne Widerlegung ge- 
druckt erscheint, immer nicht übel im Eind Auf die Fehler des Haft- 
pflichtgeseyes will ich nicht weiler hntd sie ten von sachkundigen 
und mehrbetheiligten Herren besprochen werden. Es war Dies eines der 
Motive, die mich neben den Versprechungen, die beim Erlaß des Scalisten 
gesetzes gegeben worden sind, deren Sie sich alle erinnern werden, an 
deren Erfüllung ich oft gemahnt worden bin — die 
Wirkung der jepigen Haftpflichtgejetzgebung war einer 
indem ich mich aus der Praxis überzeugte, daß die aus 
stehenden Prozesse einen ganz ungewissen und oft 
Vang haben, wenn sie gelingen, und einen ebenso 
gang in vielen Fällen, wo sie verloren gehen, 
laubwürdigen Seiten versichert worden ist, daß, 
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch 
wurde, an vielen Orten, wo die Prozesse häufig 
adbokaten., denen an Erregung der Ungufriedenheit 
liegt, schüren, daß dort die Erbitlerung zwischen 
nehmern im Gegensatz zu der wohlmeinenden Absicht, 
habt hat, nur gesteigert worden ist, und daß der Arbeiter 
des Gesebes sich geschädigt und verkürgt fühlt, weil er auch ericht- 
lichen Erenune schwerlich je überzeugt wird, daß er haucht namentlich 
wenn er einen Advokaten hat, der ihm das Gegentheil sagt; und wenn es 
vier oder jünf Instangen gäbe, er würde seine Sache so weit bringen. Deß- 
halb war ich der Ansicht, ein leichter fungirendes System einzuführen, wo 
von Prozessen nicht die Rede ist, und die Lrage, ob irgend ein Berschulden 
vorliegt, nicht untersucht wird. Für den Betroffenen ist es ja gleichgiltig, 
er bleibt unglücklich, er bleibt erwerbsunfähig, er bleibt verstümmelt, wenn 
er Das geworden ist, und seine Hinterbliebenen bleiben ohne Ernährer, es 
mag dolosc oder culpa lata oder auf die unschuldigste Weise gekommen sein. 
Wir haben es da nicht mit der strafenden oder distribuliven Gerechtigkeit 
zu thun sondern mit dem Schutz eines ohne das Gesetz ziemlich wehrlosen 
Theils der Bevölkerung gegen die Unbilden des Lebens und gegen die 
Folgen ihrer Unglücksfälle und gegen die Härke der Situation eines ohne 
jedes eigene Pekulium der Gemeindeverpflegung verfallenen Ortsarmen. Ich 
gehe auf den Vorwurf des Communismus nicht weiter ein, ich möch 
bitten, daß man sich in Fragen, wie diese, wo wir wirklich Alle unsern 
Weg noch nicht sicher vor uns liegen sehen, sondern ihn eben mit Stab und 
Sonde mühsam erforschen, daß man da doch nicht Alles aus dem Gesichts- 
punkte der Parteitaktik, aus dem Gesichtspunkte der Fractionstaktik, aus dem 
Gefühle „Fort mit Bismarck!“ u. dergl. betreiben möge. Ich wünsche ja 
so schnel" wie möglich an meiner Stelb einen Andern, wenn er nur Dies 
fortsehen wollte, ich würde gern sagen: „Sohn, hier hast d Du meinen Speer“, 
wenn er auch nicht mein eigener Sohn wäre. (Heiterkeit.) Diese uner- 
wünschte Art der Discussionen hat sich schon neulich gezeigt. Da hat man 
sich um den „armen Mann“ gerissen, wie um die Leiche des Patroklus. 
(Heiterkeit.) Herr Lasker hat ihn an dem einen Ende gefaßt, ich suchte ihn 
ihm nach Möglichkeit zu entreißen. Und wohin kommen wir denn mit 
diesen Unterschiebungen von Motiven und mit der Zuhilfenahme bes Classen- 
hasses, der Verstimmung des Elends und des Leidens? Darin liegt schon 
eher Sozialismus, gelrieben in der Art, wie Herr v. Puttkamer ihn neulich 
hier brandmarkte. 
  
     
   
   
wo 
auf die 
   
  
    
        
 
	        
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