Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 14—16.) 183
Erhöhung des Mehlzolls von 2 auf 3 Mark und die Einführung
eines neuen Zolls von 15 Mark per 100 Kilogramm frische Wein=
trauben. Ferner genehmigt er eine Zollerleichterung bei der Aus=
fuhr von Mühlenfabrikaten aus fremdländischem Getreide.
14. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: die Commission
für Vorberathung der Stempelsteuervorlage schließt ihre Berathungen:
die Steuern von Quittungen, Lombarddarlehn und Cheks werden
nochmals abgelehnt, so daß von der ganzen Vorlage nur die sog.
Börsenbesteuerung und die Besteuerung der Lotterieloose übrig ge=
blieben sind, welche mit 17 gegen 2 Stimmen genehmigt werden.
Der Ertrag wird auf etwa 12 Millionen Mark pro Jahr geschätzt.
Die Resolution für Aufhebung aller Staatslotterien wird wiederholt
angenommen.
14. Mai. (Bayern.) I. Kammer: lehnt einstimmig und
ohne Debatte die von der II. Kammer und deren ultramontaner
Mehrheit beschlossene Aufhebung des siebenten Schuljahrs (Antrag
Hafenbrädl) ab, nachdem sich der Referent, Bischof Dinkel von Augs=
burg, selbst sehr bestimmt gegen diesen beabsichtigten Rückschritt im
Volksschulwesen ausgesprochen hat.
14. Mai. (Schwarzburg=Sondershausen.) Landtag: ge=
nehmigt das von der Regierung ihm vorgelegte Domänengesetz. Die
Regierung von Schwarzburg=Rudolstadt protestirt gegen die Aus=
führung des Gesetzes als den Interessen des Schwarzburgischen Ge=
sammthauses abträglich.
16. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: 3. Lesung der
Vorlage betr. Abänderung der Verfassung (zweijährige Etats und
vierjährige Legislaturperioden). Die in 2. Lesung beschlossene For=
derung einer Berufung des Reichstags im October wird mit 147
gegen 132 und die vierjährige Legislaturperiode mit 155 gegen 122
Stimmen erneuert, zuletzt aber die ganze Vorlage fast einstimmig
verworfen. Es bleibt nur die Resolution Rickert übrig, daß der
Reichsetat vor den Etats der Einzelstaaten festzustellen sei.
Die Blätter geben für dieses auffallende Resultat folgende bezeichnende
Erklärung: „Der Stand der Parteien war im Wesentlichen folgender: Die
Rechte und das Centrum wollten die Einberufung im October ablehnen, die
Verlängerung der Legislaturperiode annehmen. Die Linke dagegen wollte
die Einberufung im October annehmen und die Verlängerung der Legislatur=
periode ablehnen. Die beiden Parteien waren einander an Stärke beinahe
gleich; eine kleine Schaar aus dem Centrum konnte den Ausschlag geben.
Diese stellten sich nun in der einen Frage auf die Seite der Linken, in der
anderen Frage auf die Seite der Rechten und verhalfen sowohl der Ein=
berufung im October als der Verlängerung der Legislaturperiode zum