186 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 18—19.)
Bahnen beläuft sich zur Zeit auf nicht weniger als insgesammt rund
1,427,256,000 M; Würde einer der Eisenbahngesellschaften gestattet, den
Zinsfuß ihrer Schuldverschreibungen auf 4 Proc. zu ermäßigen, so könnte
ein Gleiches im Allgemeinen den übrigen Gesellschaften nicht wohl versagt
werden. Eine solche Maßregel, von den weitgreifendsten, bedenklichsten
Folgen für den Nationalwohlstand gutzuheißen, würde sich nicht mit den
Gesichtspuncten vereinigen lassen, welche bei Erlaß des Gesetzes vom 17. Juli
1833 vorzugsweise leitend gewesen und seither den Anleihetiteln der Privat=
bahngesellschaften gegenüber festgehalten worden sind.“
18. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: verweist drei ver=
schiedene Anträge von Schulze=Delitzsch (Fortschr.), v. Mirbach (conf.)
und Ackermann (Particularist) wegen Abänderung des Genossen=
schaftsgesetzes vom 4. Juli 1868 an eine besondere Commission.
Staatssecretär v. Schelling betont die Bereitwilligkeit der Reichs=
regierung, im Sinne des Antrages Mirbach die unbedingte Solidar=
haft der Genossenschaften einer Revision zu unterziehen.
18. Mai. (Bayern.) I. u. II. Kammer: haben sich schließ=
lich über alle vier neuen Steuergesetze geeinigt.
18—19. Mai. (Deutsches Reich.) In Berlin halten die
Führer einer neuen Partei, die, aus katholischen und protestantischen
Agrariern bestehend, sich „sozial=conservative Vereinigung“ nennt,
eine Generalversammlung ab und fassen eine Reihe von Beschlüssen.
Die Einladung dazu war ergangen von den HH.: Karl Fürst zu
Menburg=Birstein, Graf Solms=Laubach, Graf von der Schulenburg=Beeßen=
dorf und Reichsfreiherr v. Fechenbach=Laudenbach (der letztere und der Geh.
O.b.= Reg.=Rath a. D. Wagener scheinen die eigentlichen Leiter der Agitation
zu sein). Die Tagesordnung ist eine sehr umfassende und betrifft 1) Ent=
lastung und Befestigung des Grundbesitzes, 2) Organisation des Handwerker=
und Arbeiterstandes, 3) Regelung der Versicherungsfrage, insbesondere der
Arbeiterversicherung, 4) Regelung der Verhältnisse des christlichen Staats zu
seinen nichtchristlichen Angehörigen (Juden), 5) Feststellung der Auffassung
der sozialen Frage, 6) Constituirung und Organisirung einer Vereinigung
nach Maßgabe des vorgelegten provisorischen Statuts. Die verwandten schon
bestehenden Parteien kommen indessen der neuen Vereinigung nicht gerade
sehr freundlich entgegen: weder von der deutsch=conservativen Partei, noch
vom ultramontanen Centrum nimmt irgend ein Mitglied an der Versammlung
und Berathung Theil, und zwar in Folge förmlicher Fractionsbeschlüsse. —
Von den Beschlüssen der Versammlung ist wohl das Bedeutsamste eine Reihe
von Resolutionen auf Beseitigung des römischen Erbrechts in Bezug auf das
Grundeigenthum, Umwandlung der Capitalschulden in Rentenschulden, Ab=
lösung derselben mit Staatshilfe ,c.
19—21. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: Berathung
der Vorlage betr. Abänderung der Gewerbeordnung resp. eines neuen
Innungsgesetzes. Die Anträge der Commission (Referent Graf Wil=
helm Bismarck) gehen dahin, die Vorlage im Sinne von Zwangs=
innungen oder in der Richtung auf solche hin, so weit vorerst mög=