188 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 19—21.)
Petitionscommission: beschließt auf den Antrag des Referenten
Frhrn. v. Beaulien=Marconnay mit 13 (lib. u. freiconf.) gegen 11
(deutschcons. u. ultram.) Stimmen, beim Reichstag zu beantragen,
über die Petitionen gegen die obligatorische Civilehe zur Tagesord=
nung überzugehen.
19. Mai. (Württemberg.) Feierliche Eröffnung einer
Landes=Gewerbe=Ausstellung in Stuttgart durch den König.
19. Mai. (Elsaß=Lothringen.) Nachdem die statistischen
Erhebungen über die Grenzen des deutschen und französischen Sprach=
gebiets in Elsaß=Lothringen beendet sind, so ergibt sich,
daß im Bezirk Lothringen 341 ausschließlich französisch sprechende
Gemeinden, in Ober= und Unterelsaß bloß 44 sich vorfinden. Lothringen
besitzt einschließlich Metz 30, Elsaß 7 gemischte, aber vorherrschend franzö=
sische Gemeinden. Vorherrschend deutsche Gemeinden finden sich in Loth=
ringen 11, im Elsaß 38. Rein deutsche Gemeinden zählt Oberelsaß 324,
Unterelsaß 531 und Lothringen 370. Die Gesammtanzahl der Gemeinden
ist im Oberelsaß 384, im Unterelsaß 560, in Lothringen 752.
20. Mai. (Deutsches Reich.) Bundesrath: Sachsen bringt
bei demselben, mit Rücksicht auf den Nothstand in seinen Weber=
districten, einen Antrag auf Erhöhung des Eingangszolls auf Wollen=
gewebe ein.
20. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: die Fractionen
beschäftigen sich lebhaft mit Schritten gegen die neuesten Zwangs=
maßregeln des Reichskanzlers gegen Hamburg und verhandeln da=
über auch unter einander durch Delegirte, können sich jedoch über
ein gemeinsames Vorgehen nicht einigen.
Ein Antrag Delbrücks lautet: „Der Reichstag wolle beschließen,
daß die zur Zeit auf der Elbe bestehende Zollgrenze nur durch Gesetz an
eine unterhalb dieser Grenze gelegene Stelle verlegt werden könne.“ Die
Fortschrittspartei dagegen, Richter=Karsten, beantragt: „Der Reichstag
wolle beschließen: in Betreff der im Bundesrath eingebrachten Anträge auf
Einverleibung der Unterelbe in den Zollverein und Aufhebung des Haupt=
zollamtes in Hamburg zu erklären, daß es weder dem bundesstaatlichen Ver=
hältniß, noch der Achtung vor dem geltenden Verfassungsrecht entspricht,
wenn der Bundesrath Aenderungen der Zolleinrichtungen vornehmen sollte
lediglich zu dem Zwecke, um einzelne Bundesstaaten in dem freien Gebrauche
ihres verfassungsmäßigen Rechts zu beschränken.“ Diesem Antrag der Fort=
schrittspartei treten indeß nur die Secessionisten bei, den Nationalliberalen
und den Ultramontanen geht er zu weit, die Ultramontanen haben nunmehr
sogar Bedenken gegen den Antrag Delbrück, den sie vorher gebilligt hatten.
Der Antrag Delbrück wird daher vorerst noch nicht eingebracht, wohl aber
der fortschrittliche Antrag Richter=Karsten.
21 — 22. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: 2. Lesung
der Vorlage bez. Ermäßigung der Gerichtskosten. Bayer (Württ.)
begründet eine weitere Herabsetzung der Gerichtskosten über die Com=